Der schwarze Krieger

des einen Kaufmanns. Er gab Csaba die Anweisung, dasselbe zu tun. Dann musterte er seine Männer.
    Sie erwiderten den Blick. Es lag etwas wie Bewunderung darin. Ihr ungeschlagener, unermüdlicher König. Ihr erstes Blut, ihr erster Sieg. Wie sehr es sie nach mehr dürstete! Denn der Siegeshunger ist unersättlich, wie die Gier nach Gold. Je mehr man ihn stillt, desto größer wird er.
    Attila lächelte. «Und nun zurück nach Hause.»
    ***
    Den ganzen Tag über ritten sie dahin, ohne ein einziges Wort zu sprechen. Doch in der Nacht, am Lagerfeuer, als sie aßen, wandte er sich an sie.
    «Einige Menschen glauben an Richtig und Falsch oder machen das Gute und das Böse zu ihren Göttern», begann er. «Ich dagegen glaube an Leben und Tod. Es geht nicht um die Frage ‹Ist das richtig?›, sondern um ein ‹Fühle ich mich dadurchlebendiger?›. Allein darum geht es! Das ist das Muster, die Schablone, mit der die Götter die Erde gemacht haben. Eine Wiege für das Leben zu sein, immer und überall! Sogar die milchgesichtigen Moralisten auf ihren Kanzeln und die windigen Juristen in ihren düsteren Gerichtssälen, allesamt damit beschäftigt, andere abzuurteilen, halten sich daran. Weil sie sich dann lebendiger fühlen. Es steigert ihre Macht über andere. Die große Masse ermöglicht es ihnen und glaubt an sie.
    Lasst nicht zu, dass dies geschieht. Nur die Schwachen und die Sklaven lassen es zu. Kein anderer soll das Recht haben, über euch zu urteilen. Habe ich gelebt? Das ist die einzig gültige Frage auf dem Totenbett, die einzige Frage. Hatte ich den Mut, ich selbst zu sein und meine Sehnsüchte zu erfüllen? Rache ist unrecht, sagen die Christen. Vergebung, Vergebung, murmeln sie, umgeben von blassen Weihrauchwolken, schuldbewusst, die Augen reumütig zum Himmel gerichtet, die weißen Hände, weich wie Kerzenwachs, erhoben, die Körper vor ihrem Gott gebeugt, in ihren dämmrigen Tempeln, in denen die Gesänge von Eunuchen erklingen.»
    «Vergebung?», brüllte er mit plötzlich rauer Stimme. «Was ist das schon, verglichen mit süßer Rache? Dort liegt das Leben! Grausame Rache zu nehmen an alten Feinden ist die süßeste, wahrhaft lebenspendende Freude! Sie erfüllt euch mit befreitem Lachen, sie taucht die gesamte Welt in goldenes Licht und lässt euch ein tiefes Glücksgefühl empfinden, am Leben zu sein. Alles, was wir tun, sollte uns diese Freude, am Leben zu sein, bereiten, sollte uns in den Jubel über das Leben einstimmen lassen, das uns geschenkt wurde. Habt keine Angst, dass eure Rache, euer Triumph des anderen Niederlage bedeuten. Hört gut zu, ich eröffne euchein Geheimnis: Es ist zugleich sein Triumph. Sein dunkler Triumph, seine Apotheose, die Erfüllung seines Schicksals, und zwar: von einer höheren, von den Göttern bestimmten Macht zerstört zu werden, der er nicht mehr hätte entgegensetzen können als den schwarzen Schwingen des Sturms über der Steppe.
    Alle Menschen müssen sterben, und Könige und Sklaven werden im Grab zu Brüdern. Er kann nichts dagegen tun, um sich vor dieser Bestrafung, diesem Niedergang, dem Tag der Rache zu schützen, daher sollte er erhobenen Hauptes in den Tod gehen, als Held. Er sollte dem Sturm bis zum bitteren Ende ins Auge sehen, bis er geknickt wird wie eine Blüte von der Sichel. So wird die Hymne seines aufrechten Todes ewig gesungen werden. Nichts ist so großmütig wie eine zugrunde gegangene edle Gesinnung!»
    «Ich muss immer an meinen Vater denken, an Mundschuk.» Er nickte und schwieg einen Augenblick. «Ich sehe sein Gesicht ganz dicht vor mir. Ich weiß es noch genau – wie ihn Rugas feiger Verrat und das faule Gold Roms zu Fall brachten. War er ein schlechterer Mensch, weil ihn der abscheuliche Ruga im besten Mannesalter meuchelte? Bedeutete das eine Niederlage, wurde sein Leben null und nichtig, waren seine Nachkommen plötzlich dem Abscheu und allgemeinen Gelächter preisgegeben? O nein! Er war groß in seinem Tod wie in seiner edlen Gebrochenheit.
    Ist dies nicht wundervoll? Und ist es nicht ein absolut berauschendes Gefühl der Befreiung, dies festzustellen, in Gedanken und in Taten? Wenn diese Wahrheit sich durch die Wolken Bahn bricht, schmilzt das ganze Eis der Heiligkeit, und ein klarer Wind bläst die gesamte aschfarbene Buße fort! Dadurch können sogar die Fesseln, die uns der Verstand anlegt, gesprengt werden! Wenn wir erst wissen, wie frei wirtatsächlich sind, dass es da nichts gibt, was   … Ich könnte verrückt werden! O ihr