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Der schwarze Krieger

Der schwarze Krieger

Titel: Der schwarze Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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ganz nach Westen, nach Augusta Treverorum und Narbo, sowie ganz nach Süden, nach Antiochia und Alexandria – seltsame Ziele für diese Menschen, die nur mit Pferden in der Steppe gelebt hatten. Er wies sie an, sich Arbeit als Schreiber oder als Diener bei wohlhabenden, einflussreichen Leuten zu suchen und sich, wo immer es ihnen möglich war, in die Haushalte von Senatoren, Patriziern, Gutsherren, Bischöfen und Präfekten einzuschmuggeln. Würde man sie nach ihrer Herkunft befragen, sollten sie sich lediglich als «Leute aus dem Osten» bezeichnen. Wenn sie an wichtige Informationen gelangten – soweit sie dies selber beurteilen konnten   –, sollten sie in der Nacht heimlich ihre Dienstherren verlassen und zurück zu den Ländern der Steppe kommen. Niemals sollten sie irgendjemandem eine schriftliche Botschaft übergeben, am besten sollten sie überhaupt keine schriftliche Spur hinterlassen.
    Aus all den weitentfernten Häfen, aus Massilia und Ravenna, Aquileia, Thessalonika, Alexandria und Antiochia sollten sie dann wieder durch den Bosporus segeln und nördlich davon zu den Ufern des Schwarzmeers. In Tanais oder Ophiusa oder Chersonesus würden sie an Land gehen, oder in Pagasae wie die überlebenden Argonauten, die das Goldene Vlies mitbrachten. Flussaufwärts und zuletzt zuPferd würden sie schließlich zum Hunnenlager und an den Palast Attilas gelangen. Hier würden sie ihm den Schatz ihres Wissens übergeben. Zum Dank wollte er sie segnen und ihnen goldene Becher und Ringe schenken, weit schöner, als sie sich das je vorstellen oder erträumen könnten.
    In einer Mischung aus Furcht und Erregung brachen die Spione zu ihrer langen, gewagten Reise auf.
    Was die beiden byzantinischen Kaufleute betraf, so hatten sie ausgedient. Attila hatte niemals vergessen, wie dreist sie sich ihm gegenüber vor den Toren von Tanais verhalten hatten. Nun hatten sie ihre Lektion gelernt, allerdings zu spät. Am Morgen, an dem die Spione aufbrachen, befahl er Yesukai und Aladar, die Kaufleute zum Flussufer zu bringen. Zitternd mussten sie dort im langen, steifgefrorenen Schilf niederknien, und die beiden Krieger erschlugen sie, die unrühmlichste Todesart überhaupt. Ihre Leichen wurden in den Fluss gerollt, wo sie kurz zwischen den Eisschollen dahintrieben; von ihren rundlichen, aufgeplatzten Schädeln stiegen Luftblasen auf, graue Hirnmasse quoll als schmieriger Schleim hervor und dampfte leise im eiskalten Wasser.
    ***
    Den ganzen Winter über, bis ins Frühjahr hinein wartete Attila. Er wartete, als das Eis auf dem Fluss allmählich dünner wurde, dann endgültig schmolz und im Licht der aufgehenden Sonne zerging. Als der Schnee sich von dem endlosen Land zurückzog und die Steppe wieder auftauchte, in leuchtendem Grün, wie die Schwingen eines Eisvogels.
    Er wartete in der Einsamkeit seiner Träumereien. Wie ein Wolf oder eine Spinne. Wie der Eiserne Fluss, die stetig und doch unbeirrbar fließende Wolga selbst, nach der, so behaupteneinige, er benannt war. Doch niemand, das glaube ich, wird je wissen, was die wahre Bedeutung seines Namens ist.
    Im königlichen Palast hallten die Wände vom Geschrei nicht eines, sondern zweier Neugeborener wider, zweier Töchter des Königs. Auch im Zelt der königlichen Konkubinen gab es Nachwuchs. Den Knaben gab Attila selbst den Namen, wie die Mädchen genannt wurden, blieb den Müttern überlassen. Diese stolzen, gesunden Frauen gaben ihnen Namen wie Aygyzel, was Schöner Mond bedeutet, und Nesebeda, was Ewiges Glück heißt, und Sevgila, die von allen Geliebte.
    ***
    Jeden Tag, selbst wenn der Winterwind noch so eisig blies, und natürlich viel bereitwilliger im Frühling, absolvierte Attilas Kriegshorde, einstweilen nur ein paar hundert Mann stark, auf sein Geheiß draußen in der Ebene ihre Lektionen. Sie lernten, auf Befehl anzuhalten, als würde eine unsichtbare Mauer vor ihnen stehen. Sie lernten, wie man den Bogen mit unvorstellbarer Geschwindigkeit abschoss, und die wenigen Bogen- und Pfeilmacher unter ihnen, die sich noch auf die Kunst des Bogenschießens verstanden, hatten nun wieder ein Ziel vor Augen. Seine Kriegerhorde wurde immer stärker, immer wichtiger, und sie wurde sich dessen auch immer mehr bewusst. Die Krieger begannen, sich nach einer Schlacht zu sehnen, um ihre Fähigkeiten und die Stärke ihrer Kämpferseelen zu erproben.
    Es kam der Tag, an dem eine der zwanzig ausgewählten Frauen zurückkehrte und den Palast betrat. Es dauerte viele Stunden, bevor sie

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