Der schwarze Krieger
stählerne Oberarme sich Silberreife spannten – und beherrschte mehrere Sprachen! Wie konnte es sein, dass diese glutäugige Kreatur, die nichts von den Gesetzen, von Literatur und den übrigen Dingen eines zivilisierten Lebens wusste, ihn hier aus dem skythischen Dunkel heraus erst in der Sprache Ciceros, dann in der von Demosthenes anredete, als wäre er von den klügsten Grammatikern und Rhetorikern des Reiches erzogen worden und nicht von irgendeiner schmuckbehängten Barbarin in einem Zelt, das nach Leder, Schweiß und Feuer aus Pferdedung stank!
Der Leutnant kam auf den Barbaren zu und schüttelte ihn heftig bei den Schultern.
«Verschwinde, du Haarknoten!», knurrte er. «Diese Kolonne zieht auf kaiserlichen Befehl hier durch, und du tust gut daran, auf der Stelle …»
‹Mιϱοσ μιλατγ Еλμνιϰα?›, wiederholte der Barbar, ohne die Stimme zu erheben oder den Blick von dem erstaunten Kaufmann abzuwenden.
«Natürlich spreche ich auch Griechisch», sprudelte es jetzt aus Zosimus heraus. «Ich sehe jedoch nicht ein, weshalb ich mich auf ein Gespräch mit einem übelriechenden bemalten Wilden wie dir einlassen sollte. Tu einfach, was dir dieser wohlmeinende Soldat gesagt hat und …»
Attila warf einen Blick über seine Schulter zu seinen vier Gefährten, die nun nur noch zwanzig, dreißig Meter entfernt im Dunkel warteten. Er benutzte jetzt ihre Sprache und rief: «Tötet die Soldaten!»
Sofort kamen sie den Hang heruntergaloppiert.
Er selbst rührte sich überhaupt nicht, während die Pfeile um ihn herum nur so durch die Luft flogen. Einmal wieherte das Pferd und machte ein paar vorsichtige Schritte rückwärts, als einer der Pfeile direkt an seiner Schnauze vorbeischoss, sein Reiter blieb jedoch unbeweglich sitzen, als schaute er lediglich einem Spiel zu. Binnen weniger Sekunden war alles vorbei. Einer der Soldaten saß scheinbar friedlich im Sattel, einen Pfeil im Herzen, den Kopf vornübergebeugt wie eine Blume im Herbst. Die anderen waren seitwärts hinuntergestürzt und lagen tot im Staub neben den Hufen ihrer Pferde. Attila schritt auf seinem Pferd durch die Toten und zählte sie. Dann wandte er sich an seine Männer, die ihn umringten.
«Sechs Männer mit sechzehn Pfeilen», sagte er. «Nicht schlecht.»
Dann sah er ein Pferd, das zitternd dastand – ein Pfeil steckte in seinem Widerrist. Sein Körper schien nachgeben zu wollen, doch noch einmal hob sich der Brustkorb, und obwohl schäumendes Blut aus seinen Nüstern austrat, hielt es sich auf den Beinen.
«Wer von euch hat das Pferd getroffen?»
Nach kurzem Zögern hob Yesukai seine Faust.
Attila ritt zu dem jungen Krieger hinüber und brachte sein Gesicht ganz nahe an das seine.
«Tu – das – nie – wieder!» Seine Augen funkelten gefährlich.
Yesukai brachte kein Wort heraus.
Attila ritt zurück und blieb vor dem verwundeten Pferd stehen. Er zog seinen
chekan
, die kurze Spitzhacke. Er rutschte in seinem Sattel nach vorn, holte weit aus und begrub die lange Eisenspitze tief in der Stirn des Pferdes, direkt oberhalb der Augen. Wie ein Priester, der die prächtigsten Pferde für das Begräbnis eines Königs opferte. Dann zog er die Waffe wieder heraus, das Pferd brach zusammen und lag tot im Staub.
Er befahl, die anderen fünf Kavalleriepferde mitzunehmen, um dann zum Wagen zurückzureiten. Dort hob er die Plane an und blickte auf den ängstlich zusammengekauerten Kaufmann im Wageninneren. Zwei weitere Männer saßen neben ihm.
Einer der beiden sagte mit dünnlippigem Lächeln und zitternder Stimme: «Herr, ich … ich … Diese beiden hier sind Kaufleute, ich aber bin Rechtsgelehrter!»
«Ein Rechtsgelehrter?», fragte Attila und starrte ihn an.
«Ganz recht.» Das Lächeln wurde klebrig. «Mit Beziehungen zu den höchsten Behörden im Reich.»
«Ich hasse Rechtsgelehrte!»
Er beugte sich von seinem Pferd herab, ein Messer blitzte in seiner Hand auf, und er schlitzte damit die lange, glatte Kehle des Rechtsgelehrten auf. Auf der Stelle fiel der Kopf des Mannes vornüber auf die blutgetränkte Brust.
Beide Männer wurden schreiend aus dem Wagen gezerrt, geknebelt und gefesselt und auf zwei der beschlagnahmten Pferde gesetzt. Dann brachen sie auf in Richtung Westen,während ringsum die Dunkelheit immer mehr zunahm. Im letzten Augenblick drehte Attila sich um und musterte das Dutzend schweigender, zu Tode erschrockener Männer, Frauen und Kinder. Sie standen unverändert in ihren Ketten hinter dem
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