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Der schwarze Krieger

Der schwarze Krieger

Titel: Der schwarze Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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Götter, es brennt solch ein Feuer in mir!»
    Er sprang auf und begann auf und ab zu gehen. Die Fäuste geballt, die Armmuskeln gespannt, hieb er auf die Luft vor sich ein.
    «Leben bringt Leben hervor. Hätten nur alle Menschen den Mut, wirklich am Leben zu sein! Dann würde niemand scheitern, und selbst im Tod gäbe es keinen Verlust. Es gäbe nur Heldenmut, edle Gesinnung und Ruhm in unserer Welt, die die Welt der Träume ist, denn als nichts anderes hat unser allmächtiger Vater sie erschaffen. Er schenkte uns das Leben, damit wir lernen, es zu leben. Ich werde nicht lernen zu leben, wenn ich mein Haupt und meine Ohren den wässrigen, blässlichen Worten der faden Prediger in den großen steinernen Särgen zuneige, denn nichts anderes sind ihre heiligen Kirchen und Tempel. Diese Katafalke, diese Beinhäuser voll blutbefleckter Statuen gemarterter Heiliger. Sie würden der Welt am liebsten das Leben aussaugen! Energie aber, das ist ewige Freude. Es ist besser, ein Kind in der Wiege zu ermorden, als unausgelebte Begierden zu unterdrücken. Dann werdet ihr ein Leitstern für andere Menschen sein, und sie werden euch wahrhaft lieben. Nicht die blässlichen Moralprediger sind es, die die Menschen lieben. Insgeheim hassen die Menschen sie und die Art, wie sie ihre Wünsche geißeln und sich als Wärter ihrer tief verschlossenen Träume aufspielen. Aber die, die Energie und Leben ausstrahlen, andere mit ihrem Lachen anstecken, Begierde entfachen, die Ketten sprengen und die verborgenen Räume aufbrechen, die das raue Gewirk der Erde aufnehmen und einen bunten Strang aller Farben unter dem Himmel daraus weben, sie werden geliebt. Deshalb handeln die Geschichten der Völker vonLiebe, Kampf und Tod. Es sind nicht die Erzählungen unterdrückter Begierden, die die Völker begeistern. Sondern die Erzählungen von Energie, Konflikt, Leidenschaft. Darin liegt das Feuer des Lebens. Doch die Christen reden nur von Wasser und Brot, fade und kalt wie ihre eigenen Seelen sind. Ich dagegen gebe euch das Fleisch und den Wein! Sie verstehen nichts, die Christen, die Moralisten und die Papiertyrannen in ihren Schreibstuben und an ihren Gerichtshöfen. Nur ein Sklave mit einem Rückgrat wie ein Strohhalm kann von den Dekreten der Tyrannen entzweigebrochen werden. Werft sie hinaus! Sie stehlen den Menschen die Seele.
    Die Griechen wussten das noch, ihre Geschichten waren traurig und wunderbar, tragisch und wahrhaftig. Es war ein kluges Volk. Ein großes Volk weiß auch die Erzählungen von dem eigenen Schmerz zu schätzen, selbst die Tragödien und Niederlagen der eigenen Leute, der eigenen Familie, der Nachkommen. Sie nähren ihren Schmerz und bewahren ihn in Geschichten, und abends am Feuer erzählen sie diese und rufen so das Mitgefühl ihrer Zuhörer hervor. Die Zuhörer aber fühlen sich ungeahnt lebendig, wenn sie den traurigen Erzählungen lauschen. Hierin liegt das Geheimnis: Sie fühlen sich lebendiger und versammeln sich, um immer mehr zu hören, von Leid und Heldentum, Schmerz und Lachen, Untergang und Triumph, alles miteinander vermischt und ineinander verwoben wie in einem Lebensstrang selbst. Ebenso gewinnt der Erzähler an Größe, der seinen Worten freien Lauf lässt und die matt schimmernde Münze seines eigenen Schmerzes weitergibt, die Tragödien, die ihm vom Himmel gesandt wurden oder die ihm auf Erden widerfuhren. Auch er wird zu einem König in seinen herrlichen Erzählungen vom Leid und wird von seinen Zuhörern verehrt als wahrhaft großer Mann, der weiter als andere gereist istund größeren Schmerz ertragen hat. ‹Nulla maiestior quam magna maesta›, sagten die Römer in den längst vergangenen Zeiten, als sie noch wissend waren. ‹Nichts ist königlicher als ein großer Schmerz.›»
    Urplötzlich verstummte er und wandte sich ab. Bevor sie es gewahrten, war er bereits in der Dunkelheit der Steppe verschwunden. Die tragische Geschichte und seinen großen Schmerz hatte er mit sich genommen.
     

6.
Die Spione
    Als sie ins Lager der Hunnen zurückkehrten, war Attila ehrfurchtgebietend und sachlich wie immer.
    Erst jetzt teilte er ihnen mit, was er mit dem Angriff auf Tanais in Wahrheit bezweckt hatte. Er wollte die beiden Kaufleute entführen, damit er sie im Lager zwingen konnte, einige ausgewählte Männer die Sprachen des Imperiums zu lehren. So konnte er seine Männer später als Spione einsetzen. Seine dreiste Selbstgewissheit verblüffte sie.
    Dies war die Keimzelle von Attilas Spionagenetzwerk, das sich

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