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Der schwarze Krieger

Der schwarze Krieger

Titel: Der schwarze Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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nach geraumer Zeit nahezu über die gesamte bekannte Welt erstreckte. Es reichte von den christlichen Königreichen Georgiens bis hin zu den gallischen Ufern des eisigen Atlantischen Ozeans. Mit der Größe und Komplexität der Geheimdienste Konstantinopels, die sich krakenhaft in jeden wichtigen Ort und Haushalt des Imperiums zwängten, konnte er gleichwohl nie wetteifern. Dennoch hatte kein anderer Barbarenherrscher je Zugang zu so vielen Informationen über den Gegner besessen, jedenfalls übertraf es die kühnsten Träume aller anderen Barbarenkönige in ihren von Rauch erfüllten Zelten.
    Attila ließ die verletzten und geschundenen byzantinischen Kaufleute sorgfältig verbinden, sie erhielten zu essen und zu trinken und durften ruhen, so wie man sich um ein wertvolles Pferd gekümmert hätte.
    Innerhalb von nur acht Tagen war unterdessen ein herrlicher Palast für den Tanjou errichtet worden. Kurz bewunderte Attila das handwerkliche Können und die gewaltigeArbeitsleitung, die dies ermöglicht hatte. Dann nahm er den Palast an der Spitze seiner fünf Frauen in Besitz.
    Königin Checa ging untergehakt neben ihm her, während sie die Stufen emporstiegen. Sie traten durch die geschnitzten Tore ein. Es verstieß gegen die guten Sitten, dass eine Frau so neben ihrem Mann einherschritt. Doch Königin Checa war nun einmal keine gewöhnliche Frau.
    ***
    Am nächsten Morgen ernannte Attila einen Zuständigen für die Spione, die er aussenden wollte. Es war Geukchu. Er ließ seinen gewieften Aufseher zwanzig Männer und, zur allgemeinen Überraschung, auch zwanzig Frauen des Stammes auswählen und trennte die beiden Gruppen. Sie wurden in je einem separaten Zelt am Rande des Lagers untergebracht, wo sie Latein und Griechisch sprechen, verstehen und sogar schreiben lernten. Zum Ärger der Männer stellten sich die Frauen klüger an als sie selbst und schienen sogar Freude daran zu haben, die seltsamen Zeichen und Kringel zu entziffern, die ihr misstrauischer Lehrer Zosimus mit Kreide auf eine Schiefertafel schrieb.
    Ohne vorherige Ankündigung tauchte Attila selbst immer wieder in den Zelten der erschrockenen Lehrer auf und redete die Schüler in barschem Tonfall in beiden Sprachen an. Zum Erstaunen seines Volkes beherrschte er beides wie ein Römer. Sie antworteten zunächst stockend, aber im Verlauf etlicher Wochen zunehmend sicherer.
    Eines Tages stellte Attila fest, dass Geukchu die Männer und die Frauen zusammengebracht und ihnen befohlen hatte, miteinander in den erlernten Sprachen zu kommunizieren. Er fragte ihn, warum er das tue.
    «In ihrer Verbitterung könnte einer der beiden entführten Kaufleute unseren Leuten vielleicht etwas Falsches beibringen», antwortete Geukchu. «Wenn sie das Imperium bereisen, würde das dann auffallen. So aber können wir sicher sein, dass beide Gruppen dasselbe und dies richtig gelernt haben.»
    Attila grinste verschlagen. «Weiser Geukchu – jedem Menschen traust du zu, so hinterlistig zu sein wie du selbst!»
    Geukchu wischte das Kompliment mit einer Handbewegung beiseite. «Doch wieso, o Herr, bringt Ihr nicht selbst unseren Leuten die Sprachen des Römerreiches bei? Ihr beherrscht sie doch perfekt!»
    Attila sah den Schmeichler scharf an. «Ich habe andere Dinge zu tun.»
    ***
    Es war um die Mitte des Winters. Die Steppe lag bereits vier lange, bittere Monate unter einer zwanzig Zentimeter dicken Schneeschicht begraben. In Skythien, heißt es, gibt es im Grunde nur zwei Jahreszeiten: eine aus Feuer und eine aus Eis. Der milde Frühling und Herbst sind so kurz in diesem Land der Extreme, dass sie kaum wahrgenommen werden. Schnee drückte die schwarzen Filzzelte der Menschen nieder, zuweilen sah nur ihre Spitze hervor wie der Schwanz eines Hermelins.
    Eines Abends rief Attila die zwanzig Männer und die zwanzig Frauen in seinem Palast zusammen und gab jedem von ihnen einen schweren Beutel mit Gold. Zugleich forderte er sie auf, sich schlicht zu kleiden. Dann sandte er sie nach Süden aus, mitten im Winter. Sie würden den Sonnenscheinin den Mittelmeerländern sicherlich zu schätzen wissen, meinte er scherzhaft.
    Einige der Frauen und Männer wurden als Ehepaare geschickt, andere als Bruder und Schwester, wieder andere gleich als vermeintliche Familie. Der König achtete darauf, dass keiner allein reisen musste.
    Er sandte sie nach Süden und Westen in die großen Städte des Imperiums, nach Sirmium, ein paar nach Konstantinopel, nach Ravenna, Mediolanum und auch nach Rom. Oder

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