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Der schwarze Krieger

Der schwarze Krieger

Titel: Der schwarze Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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versengt wurde. Sie rappelte sich auf und taumelte rückwärts, weg von dem entsetzlichen Anblick des rußgeschwärzten Reiters. Die Augen des Mädchens leuchteten, und das lag nicht nur am Widerschein des Feuers.
    Attila wandte sich um und zerrte an seinem Lasso. Und nun sahen die Umstehenden, dass er auch die große Schatztruhe aus der Brandhölle gerettet hatte. Der wahnsinnige Reiter oder versengte König, wer auch immer es war, löste sein Lasso aus den Haltegriffen der Truhe und gab Chanat ein Zeichen mit dem Kopf. Der alte Krieger saß ab, ging zu der Truhe hinüber und hieb mit seiner Axt darauf ein, bis etwas im Innern knackte. Dann griff er nach dem schweren Deckel und hob ihn an. Die Truhe war bis an den Rand mit Goldmünzen gefüllt.
    Der schwarze Reiter paradierte vor seinen Leuten auf undab wie ein General vor einer Schlacht. Mit seltsam singender Stimme sprach er:
    Was weder Macht noch List vermochten,
    In Jahrhunderten voller Streit und Krieg,
    Gelang nun ein paar Feiglingen,
    Um armsel’ger Tagelöhner Sold.
    Unruhig traten die Umstehenden von einem Fuß auf den anderen.
    Attilas Stimme wurde rauer. «Doch nun nichts mehr davon. Einst wart ihr ein Volk von großen Kriegern, die vom Altai bis zum Kaspischen Meer und bis zu den Ufern der Donau gefürchtet wurden. So soll es wieder sein. Die Götter sind auf unserer Seite.»
    Er heftete seine glühenden Augen auf sein auserwähltes Volk, und sie fühlten sich bei seinem Anblick von seinem heiligen Feuer angesteckt.
    «Was das Gold angeht», erklärte Attila verächtlich und warf einen Blick auf die geöffnete Truhe, «so könnt ihr es haben. Kein echter Krieger macht sich etwas aus Münzen.» Er blieb stehen, sah sie nochmals streng an und wirkte auf einmal noch größer in seinem Sattel. «Ich bin Attila. Ich bin euer Tanjou. Ich bin der Sohn des Mundschuk, der Sohn Uldins, der dreißig Sommer lang auf Geheiß eines toten Mannes im Exil zubringen musste.»
    Er blickte auf die Überbleibsel des verkohlten Zeltes und dann wieder in die gebannten Gesichter. Einige der Männer und Frauen senkten den Kopf, wie zum Zeichen kollektiver Schuld. Doch Attilas Stimme überraschte sie erneut, denn nun klang sie sanfter.
    «Ich bin euer Tanjou, und ihr seid mein Volk. Ihr werdetfür mich kämpfen, und ich werde für euch sterben. Wir werden die Gestade des westlichen Ozeans und die Inseln des Mittelmeers erobern, und niemand wird sich gegen uns erheben.»
    Einstimmig jubelte jetzt das Volk, und endlich setzte auch der Regen ein.
    In Attilas Augen blitzte etwas wie Belustigung auf. Hinter ihm zischten und rauchten die Reste des königlichen Zeltes unter den schweren, prasselnden Regentropfen wie ein großes Tier, das seinen letzten Atemzug tat.

3.
Die Erwählten
    Attila packte die Lanze eines Wachpostens, spießte Rugas blutiges Haupt auf, das mit offenem Mund noch immer im Staub lag, und hielt es in die Höhe.
    «Orestes», befahl er, «die Erwählten.»
    Der griechische Sklave kam nach vorn geritten und suchte scheinbar wahllos acht Männer aus der Menge aus. Einer von ihnen war der junge Mann, der Attila im Affekt in die Flammen hatte folgen wollen. Die anderen sieben waren von ihm ebenso genau beobachtet worden.
    Erwartungsvoll standen sie da.
    «Holt eure Pferde», sagte der Tanjou.
    Während sie zum Pferch hinüberrannten, ließ Attila den Blick umherschweifen. Er wies mit dem Kopf auf ein prächtiges blaues Zelt, das geschnitzte hölzerne Pfosten hatte und auf dessen Dach eine bunte Fahne flatterte.
    «Wem gehört das Zelt?», fragte er.
    Nach einer kleinen Weile trat ein alter Mann vor. Sein Gesicht war ganz runzelig. Er hatte weiches weißes Haar und einen verschlagenen, misstrauischen Blick.
    «Jetzt gehört es mir», erklärte Attila. Er wies mit dem Kopf zu dem Mädchen, das er aus den Flammen gerettet hatte und das ängstlich neben ihm stand. «Und sie gehört dir.»
    Die Menge kicherte. Alle wussten nur zu gut, dass der alte Mann, der Zabergan hieß, ein schrecklicher Geizhals war, der sich lediglich für die Größe seiner Herden interessierte und für die Menge Hacksilber und Gold, die er besaß – und für sein prächtiges blaues Zelt. Was Frauen betraf, so hatteer nie die Notwendigkeit gesehen, sich mehr als nur eine anzuschaffen: die alte Kula, ein grässliches Weib, das aber kaum Kosten verursachte. Obwohl sein Geschenk ein hübsches junges Mädchen mit langen Beinen war, wussten alle, dass Zabergan viel lieber kalte Silberbarren im Bett hatte

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