Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe

Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe

Titel: Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
zum Aas gemacht haben!«
    »Du bist berühmt und wirst berühmt bleiben,« tröstete ihn sein Enkel. »Wir werden Winnetou und Old Shatterhand fangen und dann die Apatschen überfallen; sie müssen uns ihre Häute und Medizinen geben, und wenn Ihr wieder Medizinen habt, so dürft Ihr nach den Jagdgründen des Stammes zurückkehren.«
    »Uff! Jetzt dürfen wir das nicht?«
    »Nein.«
    »Es ist also Beratung darüber abgehalten worden?«
    »Ja, eine Beratung aller alten Krieger und weisen Männer.«
    »Die haben uns ausgestoßen?«
    »Ja.«
    »Uff, uff!«
    Er legte die Hand an die Augen und blieb eine lange Zeit so sitzen; dann ließ er sie wieder sinken und sagte:
    »Ich bin reich. Warum hast du mir weiter nichts gebracht als ein Kleid?«
    »Ich durfte nicht.«
    »Ich bin ohne Pferd und besitze doch viele Pferde. Wurde es dir auch verboten, eines für mich mitzunehmen?«
    »Ja.«
    Da richteten sich seine Augen mit angstvollem Ausdruck auf das Gesicht seines Enkels, und er fragte, vor Angst fast stotternd, was er für eine Antwort erhalten werde:
    »Aber mein schwarzer Mustang, mein Hengst, der für mich mehr bedeutet als das Leben, will man auch ihn mir vorenthalten?«
    »Auch ihn.«
    Da sprang er auf; die Wut trieb ihn in die Höhe; er wollte seinem Grimme in Worten Luft machen; Ik Senanda aber hob warnend den Finger und sagte in beruhigendem Tone:
    »Tokvi-Kava ist ein großer Häuptling; er weiß, daß ein Krieger sich beherrschen muß; sollen die Leute, welche dort sitzen und alle auf uns sehen, denken, daß er es verlernt habe, der Herr seiner Gedanken und Gefühle zu sein?«
    Da setzte sich der Alte wieder nieder, doch dauerte es einige Zeit, bis er äußerlich ruhig schien und zustimmend erwiderte:
    »Der Sohn meiner Tochter hat recht. Ich will jetzt nicht an den Schmerz denken, den man mir bereitet, aber dann, wenn ich dahin zurückgekehrt bin, wohin ich jetzt nicht kommen darf, werde ich es allen denen gedenken, die ihn mir bereitet haben. Hast du außer dem, was ich jetzt von dir hörte, vielleicht eine Botschaft an mich auszurichten?«
    »Nein.«
    »Uff! Es nannten sich so viele alte Krieger meine Freunde, und ich habe sie wirklich für Freunde gehalten. Läßt auch keiner von ihnen mir etwas durch dich sagen?«
    »Keiner!«
    »So sollen sie alle erfahren, wie Tokvi-Kava solche falsche Freundschaft vergilt. Du bist mein Enkel und noch jung; aber du hast Mut und besitzest ebenso viel List wie ich. Wenn du zu mir sprechen willst, so sprich! Hast du mir einen Vorschlag zu machen?«
    »Nein. Du bist derjenige, der zu befehlen hat, und ich gehorche. Was du sagst, ist gut, und was du beschließest, wird von uns ausgeführt werden.«
    Der Mestize sagte das im Tone aufrichtigster Ergebenheit und senkte dabei den Kopf als Zeichen, daß er sich ihm mit seinem ganzen Denken und Thun zu eigen gebe, doch hätte ein so scharfer und unparteiischer Beobachter wie zum Beispiel Winnetou oder Old Shatterhand sehr wahrscheinlich die zwar leichten aber doch verräterischen Falten bemerkt, welche sich dabei um seine Mundwinkel legten. Er war, wie die Mischlinge fast alle, kein vertrauenswürdiger Mensch, und wenn es sich um seinen Vorteil handelte, galt ihm sein Großvater auch nicht viel mehr als jede andre Person. Dieser aber hielt ihn, die nahe Verwandtschaft ganz abgerechnet, für seinen besten Freund und schenkte ihm sein vollständiges Vertrauen. Auch jetzt lächelte er ihm voll Liebe zu, so weit bei ihm nämlich von Liebe die Rede sein konnte, und sagte:
    »Ich weiß, daß du für mich dein Leben hingeben würdest und daß du jetzt bei unserem Stamme alles gethan hast, meine Ausstoßung zu verhindern. Daß dir dies nicht gelungen ist, liegt nicht in deiner Schuld. Komm, laß uns nun wieder zu den andern gehen, welche erfahren müssen, was der Stamm beschlossen hat!«
    Er ahnte nicht, daß Ik Senanda nicht nur gar nichts für ihn, aber desto mehr gegen ihn gethan und gesprochen hatte, denn es war sein größter Wunsch, selbst Häuptling der Naiini zu werden. Sie kehrten also von dem Platze, an welchem sie miteinander gesprochen hatten, zu ihren Leuten zurück, welche zwar schon aus dem Verhalten des »schwarzen Mustangs« und seines Enkels erraten hatten, was für eine Botschaft er erhalten hatte. Da er sie ihnen nun mitteilte, wurden sie durch die Nachricht in die tiefste Niedergeschlagenheit versetzt, denn sie hatten ebenso wie er gehofft, daß der Heimritt Ik Senandas ihnen das Gegenteil von dem, was er ihnen jetzt

Weitere Kostenlose Bücher