Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe
darauf, daß ich sein Universalerbe sei. Ich plagte mich noch einige Jahre weiter, bis er auch starb; da hinterließ er mir außer seinem vollständig leeren Geldkasten sein Kassenbuch; ich steckte meine Nase hinein und bekam den Schnupfen, und zwar was für einen! Der liebe Onkel war nämlich so pfiffig gewesen, meinen gutmütigen Vater für sich arbeiten zu lassen, ohne ihm durch lange Jahre hindurch auch nur einen Dollar auszuzahlen. Mein Vater hatte geglaubt, daß sein Geld bei dem Bruder sicher stehe, und dann, als er kurz vor seinem Tode alles erfuhr, wollte er den Onkel nicht dadurch blamieren, daß er mir dessen Schlechtigkeit enthüllte. So konnte ich also den Letzteren nicht beerben und bin auch um das Geld gekommen, welches ich geerbt hätte, wenn der Vater weniger vertrauensselig gewesen wäre.«
»Schöner Onkel, das! Wie hieß er denn?«
»Geht mich nichts an; kenne den Namen nicht!«
»Was? Ihr kennt ihn nicht? Es ist ja doch auch der Eurige!«
»Allerdings.«
»Na also! Ihr werdet doch Euern eigenen Namen nicht vergessen haben! Wir nennen Euch den langen Hum. Was Hum bedeuten soll, habt Ihr uns nicht gesagt, und Euern Familiennamen verschweigt Ihr ganz und gar. Warum?«
»Warum? Darum! Weil ich ein heiterer Boy bin und mich nicht gern ärgere; über meinen Namen aber würde ich mich ärgern, so oft ich ihn zu hören bekäme.«
»Aus welchem Grunde?«
»Weil er geradezu lächerlich klingt, zumal für ein amerikanisches Ohr.«
»Hm! Wenn Ihr so ein ausgeprägtes Schönheitsgefühl für hübschklingende Worte besitzt, so können wir freilich nichts dagegen haben, aber was die in das Wasser gefallene Erbschaft betrifft, so könnt Ihr Euch trösten, denn Ihr werdet droben in den San Juan-Bergen von Colorado mehr als hundertfachen Ersatz dafür finden!«
»Wenn auch nicht gerade hundertfachen, aber etwas werden wir doch finden, Majestät, denn Ihr seid nicht der Mann, ehrliche Leute an der Nase so weit hinauf in die Rocky-Mountains zu führen.«
»Nein, so ein Mensch bin ich wirklich nicht. Ich habe den Situationsplan der Mine hier in meiner Tasche: sie wird uns reich machen, sehr reich, wenn auch nicht ganz so reich, wie wir sein würden, wenn wir das Glück hätten, hier in der Sierra Moro die geradezu großartige Bonanza of Hoaka zu entdecken.«
»Habe schon oft von ihr gehört. Ein sonderbarer Name! Bonanza ist spanisch, of ist englisch und Hoaka scheint indianisch zu sein. Nicht?«
»Ja.«
»Was bedeutet dieses Wort?«
»Das kann ich nicht sagen, denn ich habe noch keinen Menschen, auch keinen Indianer, gefunden, der es wußte und es übersetzen konnte. Aber die Bonanza ist Wirklichkeit, unwiderlegliche Wirklichkeit, und es hat schon Hunderte von Gambusinos (Goldsucher) gegeben, die nach ihr gesucht haben. Einige von ihnen sind ihr so nahe gewesen, daß sie große Goldklumpen gefunden haben, aber noch keinem ist es gelungen, den eigentlichen Platz, wo solche Klumpen massenweise liegen, zu entdecken. Wir befinden uns gerade jetzt in der betreffenden Gegend, und wenn wir morgen weiterreiten, werden wir die Punkte berühren, wo die erwähnten Funde gemacht worden sind. Es ist sogar möglich, daß wir jetzt ganz nahe bei der berühmten Bonanza lagern. Denkt euch nur, wenn wir sie durch einen glücklichen Zufall fänden!«
Durch diese Worte wurden alle Anwesenden elektrisiert; sie ließen sich in den verschiedensten Interjektionen hören, und Hum meinte lustig:
»Ich werde beim Einschlafen an sie denken; vielleicht träumt mir dann von ihr, und ich zeige euch den Weg. Da könnten wir wohl auf unsre Minen droben in Colorado verzichten? Was meint ihr dazu, Mesch’schurs?«
»Natürlich könnten wir das,« antwortete Majestät. »Fände ich diese Bonanza of Hoaka, ich würde mich keinen Augenblick bedenken, den Situationsplan hier aus meiner Tasche zu verschenken. Ist es nicht geradezu unbegreiflich, daß es Menschen gibt, welche die Bonanza kennen und sie doch nicht ausbeuten?«
»Wer ist das? Gibt es welche? Ist dieses wahr?« wurde rundum gefragt.
»Ja, es ist wahr; es gibt Indianer, welche den Ort kennen, ihn aber aus Haß gegen die Weißen Geheimnis bleiben lassen; nur wenn sie einmal etwas von den Bleichgesichtern kaufen und bezahlen müssen, gehen sie hin, um sich eine Handvoll kleine Nuggets zu holen; die großen Stücke aber lassen sie liegen. Man ist gerade hier in dieser Gegend auf solche stockdumme und hirnverbrannte Menschen gestoßen. Ich sprach kürzlich in Albuquerke mit
Weitere Kostenlose Bücher