Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe
ging der Häuptling mit Ik Senanda fort, um die Weißen aufzuspüren. Die Dämmerung brach schon herein, und so durften sie annehmen, daß sie nicht weit zu gehen haben würden.
Diese Annahme stellte sich als sehr richtig heraus, denn sie waren unter Anwendung der größten Vorsicht kaum eine Viertelstunde vorwärts geschlichen, so spürten sie den Geruch von Rauch in ihren Nasen.
»Wir sind ihnen nahe,« flüsterte der Alte seinem Enkel zu. »Nun müssen wir aber warten, bis es ganz dunkel ist.«
Als die Dämmerung in die Nacht übergegangen war, schlichen sie weiter. Sie hörten bald ein kleines Wasser murmeln, und dann leuchtete ihnen zwischen den Bäumen der Schein eines Feuers entgegen, um welches die Weißen einen Kreis gebildet hatten. In ihrer Nähe gab es einen grasigen Fleck, auf welchem sich die Pferde befanden. Dieser wurde, obgleich man sich kaum erst gelagert hatte, von zwei Männern bewacht, welche ihre Gewehre schußbereit hielten. Das war ein sicheres Zeichen, daß es die Komantschen nicht mit Neulingen oder unvorsichtigen Leuten zu thun hatten.
Für geübte Indianer war es gar nicht schwer, ganz nahe an die Weißen heranzukommen, weil die starken Baumstämme prächtige Deckung boten. Die beiden Kundschafter krochen so weit hin, wie es mit ihrer eigenen Sicherheit zu vereinbaren war, und konnten dann, jeder hinter einem Baume steckend, nicht nur die Weißen aus der Nähe deutlich sehen, sondern sogar alles hören, was gesprochen wurde.
Ein alter, verwetterter Bursche mit schneeweißem Haare und langem, hellgrauem Vollbarte schien der Anführer der Bleichgesichter zu sein; er war eine höchst charakteristische Gestalt mit scharf markierten Gesichtszügen und hatte jedenfalls schon manches Abenteuer glücklich überstanden. Seine scharfen Augen zeigten trotz seines Alters eine jugendliche Lebhaftigkeit und wenn er sprach, geschah dies so bestimmt und überlegt, als ob er stets gewohnt gewesen sei, zu befehlen. Er wurde von seinen Gefährten, wie die beiden Roten hörten, sonderbarerweise »Majestät« genannt.
Die andern waren fast ohne Ausnahme alle Männer, denen man, sobald man sie nur ansah, zutrauen konnte, die für den Westen nötige Erfahrung zu besitzen. Der Jüngste unter ihnen war ein schmal gebauter und außerordentlich in die Länge gedehnter blonder Lockenkopf, welcher das
Enfant gaté
der Gesellschaft zu sein schien und sich in heiteren Redewendungen gefiel; er wurde Hum, einigemal auch langer Hum genannt. Eben als die Kundschafter ihre Lauscherplätze eingenommen hatten, hörten sie ihn sagen:
»Ihr scheint Euch hier sehr sicher zu fühlen, Majestät, denn Ihr stellt keine Posten aus. Ich glaube, hier grenzt das Gebiet der Komantschen. Wünscht Ihr, von diesen ehrenwerten Gentlemen um Thron und Leben gebracht zu werden?«
»Mein Thron ist hier der Platz, auf dem ich sitze, und ich möchte wohl den Roten sehen, der es fertig brächte, ihn unter mir hinwegzuziehen! Ich befinde mich ja in der Gesellschaft von grad dreißig Unterthanen, von denen jeder ein Held und Ritter Bayard ist. Von wegen der Komantschen aber habt Ihr recht, lieber Hum. Ich wollte Euch nur Zeit zum Essen lassen; dann werden wir, wie gewöhnlich, Wachen ausstellen: sieben Stunden schlafen und stündlich abwechseln, gibt vier Posten; das ist genug, wenn sie nicht stehen bleiben, sondern die ihnen überwiesenen Viertelkreise immerfort abschreiten. So werden wir es halten, bis wir uns in den San Juan-Mountains befinden.«
»Wo wir Millionäre aus uns machen!« fügte Hum hinzu, indem er lustig lachte.
»Ich denke allerdings, daß wir, obgleich Ihr jetzt darüber lacht, dies thun werden.«
»Da mir die Erbschaft meines reichen Onkels zu Wasser geworden ist, habe ich ganz und gar nichts dagegen, daß Ihr mir erlaubt, den noch reicheren Staat Colorado mit zu beerben.«
»
Well!
Da Ihr wieder einmal davon sprecht, was hatte es denn eigentlich für eine Bewandtnis mit diesem Onkel? Hat er Euch enterbt? Das wäre ihm, da Ihr ein so wackerer Bursche seid, nicht in das Grab hinunter zu verzeihen!«
»Enterbt hat er mich nicht und aber doch ums Erbe gebracht. Er galt für reich, denn er verstand es, sich den Anschein dazu zu geben; mein Vater aber, obgleich ein tüchtiger Geschäftsmann, brachte es zu nichts, warum, das werdet Ihr gleich hören. Als er starb, hinterließ er mir außer Schulden nicht einen baren Cent; der Onkel, welcher keine Kinder hatte, und den ich bat, mir auf die Beine zu helfen, vertröstete mich
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