Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe

Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe

Titel: Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
wagen, mir zu widerschprechen; da mir aber euer unterthäniges Schweigen den Beweis erteilt, daß ihr eure Menage meiner höheren Weisheit unterordnet, fühle ich mich nich ganz abgeneigt, euch mit den Ausschtrahlungen meiner
Fiat justitia
zu begnadigen, und ersuche euch nur inschtändigst, tief in euch zu gehen und zu erkennen, daß es keen Schpaß is, wenn jemand Heliogabalus Morpheus heeßt, den Edeward und Franke gar nich mitgerechnet. Thut also Buße im Sack und in der Asche und vergeßt mir ja niemals wieder, daß es off der Erde unvergleichliche Intelligenzen und Geisteskräfte gibt, die selbst derjenige nich begreift, der sie besitzt. Keen Mensch is zu etwas geboren, außer wenn er dazu geboren is, und jeder Vorzug eenes Menschen vor dem andern is nur dann een wirklicher Vorzug, wenn er ohne Nachteile mit sich selbst verbunden werden kann. Een Mensch kann jeder sein, jeder, aber fragt mich nur nich, was for eener – und dann, een ganz groß angelegter und bedeutender Mensch zu sein, das vermag nur derjenige, der entweder sagen kann ›och ich bin in Arkadien und Moritzburg gewesen‹, oder dessen Schtaubgefäße sich in der Linnéschen Ordnung unterbringen lassen. Es is der Wille der Schöpfung gewesen, daß Verschiedenheet herrschen soll; darum is sich een jeder gleich, und wer andersch is, der kann’s nich ändern, aber wer das Glück hat wie ich, in der Philosophie des Eminenten eene hervorragende Schtelle einzunehmen, vielleicht gar erschten Rang Amphitheater, Nummer eens, oder wenigstens erschtes Parkett, Vorderreihe mittelster Platz, grad vor dem Vorhange der Unsterblichkeet, der darf trotz aller Bescheidenheit mit Schtolz sich von der Vor-und Mitwelt trennen, um der Nachwelt zu beweisen, daß sie erschtens ooch der Welt mit angehört, und daß sie zweetens schpäter ooch mal schterben muß! An dieser Weisheet is nimmermehr zu rütteln und zu wackeln; sie is so fest gefügt und unerschütterlich, daß schon Schiller, der berühmte Dichter von Uhlands ›Lenore fuhr ins Morgenrot‹ in seinem ›Götz von Berlichingen‹ gesagt hat: Die Vorwelt flicht der Nachwelt keene Kränze, jedoch der Frühling duftet schon im Lenze!«
    Während diese eigenartige Unterhaltung unten im Verstecke geführt wurde, hatten Old Shatterhand und Winnetou den Gipfel des Corner-top erreicht. Dort gab es, wie bereits erwähnt, mehrere lichte Stellen, von denen aus man eine weite Fernsicht hatte. Eine dieser Lichtungen, welche nach Westen lag, war außerordentlich geeignet für den Zweck der beiden Freunde. Man konnte von hier oben aus das Thal, in welchem die Komantschen herabkommen mußten, bis zu seiner nächsten Krümmung, welche weit über eine englische Meile entfernt war, vollständig überblicken. Winnetou setzte sich da nieder, und Old Shatterhand nahm an seiner Seite Platz. Das thaten sie, ohne ein Wort zu sagen. Zwischen diesen beiden waren weder Aufforderungen noch lange Erklärungen nötig, sie kannten einander so genau und hatten sich gegenseitig so innig ineinander hineingelebt, daß jeder die Gedanken und Entschlüsse des andern wußte oder erriet, noch ehe sie den mündlichen Ausdruck gefunden hatten. Es war bei ihnen oft schon vorgekommen, daß sie einen ganzen Tag miteinander geritten waren und dabei ganz Wichtiges erlebt hatten, ohne daß ein einziges Wort zwischen ihnen gefallen war.
    So auch jetzt. Sie saßen wortlos nebeneinander, eine Stunde, zwei, ja drei Stunden lang, und keiner hielt es für nötig, auch nur eine Silbe hören zu lassen, obgleich sie einem Ereignis entgegensahen, bei welchem es sich um Tod und Leben handelte. Hätte es jemand gegeben, der sie unbemerkt beobachtete, der wäre sicher der Ansicht gewesen, daß sie von keiner andern Absicht hierhergeführt worden seien als von derjenigen, sich da niederzulegen und auszuruhen. Keine Bewegung ihrer Gesichter, kein Blick ihrer Augen verriet, daß ihre ganze Aufmerksamkeit scharf nach Westen gerichtet war, und daß auf der ganzen Strecke, so weit das Thal überblickt werden konnte, nichts ihren scharfen Sinnen zu entgehen vermochte. Es ist die große Kunst des Westmannes, selbst bei der äußersten Anspannung aller seiner Fähigkeiten und Gefühle äußerlich vollständig teilnahmlos zu erscheinen. Es gibt oder gab manchen berühmten Savannenläufer, der seine schönsten Erfolge und seine Errettung aus den größten Gefahren nur allein dem Umstande zu verdanken hatte, daß er sein ganzes Aeußere, jedes Glied seines Körpers so in der Gewalt

Weitere Kostenlose Bücher