Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe

Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe

Titel: Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
leicht. Mein Bruder mag mir folgen!«
    Sie legten ihre Gewehre ab, weil diese ihnen beim Anschleichen hinderlich gewesen wären, und gingen. Sie hatten sich natürlich an Stelle ihrer gestohlenen vom Engineer zwei andre Gewehre einstweilen ausgeborgt. Winnetou führte seinen weißen Freund zunächst wohl zehn Minuten lang, ohne sonderliche Vorsicht anzuwenden, durch den Wald; dann erreichten sie eine Stelle, an welcher die stehenden Bäume aufhörten, desto mehr aber sahen sie liegende vor ihren Blicken. Die Riesen des Waldes lagen aus der Erde gewuchtet, mit gewaltigen Wurzelballen und viel zerschmetterten Kronen neben-und wirr durch-und übereinander. Es war ein Windbruch, einer jener Hurrikane, die man im wilden Westen, besonders in den südlichen Gegenden desselben, häufig findet. Hurrikan ist der plötzlich ausbrechende Orkan, welcher einen verhältnismäßig schmalen und scharf begrenzten Strich durcheilt und alles vor sich niederreißt, und Hurrikan nennt man auch den Verwüstungsbereich dieses Sturmes, der in Mittelamerika von noch viel verheerenderer Wirkung ist.
    Zwischen den niedergeschmetterten und erstorbenen Stämmen war eine neue, junge Vegetation sehr dicht und ziemlich hoch schon aufgeschossen, so dicht, daß es selbst für ein Wild unmöglich schien, da durchzukommen.
    »Hier hindurch?« sagte Old Shatterhand.
    Winnetou nickte bejahend und fügte leise hinzu:
    »Links hier ist der Felsen; da können wir nicht hinauf; rechts draußen liegt die Prairie, auf welcher die Pferde der Feinde grasen, da würden uns die Wächter sehen; jenseits des Hurrikan, der hier nicht über zweihundert Schritte breit ist, lagern die Krieger; wir müssen also durch.«
    »Ist mein roter Bruder schon drüben gewesen?«
    »Ja. Mein weißer Bruder wird sehr bald den tief versteckten Weg sehen, den ich mir habe bahnen müssen.«
    »Weißt du, wo sich der Häuptling befindet?«
    »Ich weiß es. Vielleicht kommen wir soweit an ihn, daß wir hören können, was er spricht.«
    Er huschte einige Schritte am Rande des Windbruches hin, legte sich dann auf die Erde nieder und schob sich in das dichte Zweig-und Blätterwerk hinein. Old Shatterhand zögerte nicht, ihm nachzukriechen. Da zeigte sich denn wieder einmal, welch ein unvergleichlicher Mann der Häuptling der Apatschen war. Er hatte mit dem Messer einen zwei Fuß breiten Weg gebahnt, die hindernden Aeste, Zweige und Schößlinge abgeschnitten und auf den Boden niedergedrückt und dabei soviel Laubwerk stehen lassen, daß es ein Dach über dem Schleichpfade bildete und ihn vollständig unsichtbar machte. Es war unmöglich gewesen, diesen Weg geradeaus zu führen; er bog bald nach dieser und bald nach jener Seite um die gestürzten Bäume herum, ging bald nach rechts und bald nach links, je nach den Schwierigkeiten, welche das Terrain und der Pflanzenwirrwarr dem Apatschen entgegengesetzt hatten, und war nur durch eine Kraftanstrengung zu bahnen gewesen, die selbst Old Shatterhand in hohes Staunen versetzte. Dieses in so kurzer Zeit vollendete Werk war ein Meisterstück, welches nur unter den Händen eines Winnetou hatte entstehen können.
    Da er so unvergleichlich vorgearbeitet hatte, brauchten sie ihre Messer jetzt nicht viel in Anwendung zu bringen und hatten vorzugsweise darauf acht zu geben, daß sich das Gesträuch nicht über ihnen bewegte und dadurch zum Verräter wurde. Sie fanden zwei Schlangen im Wege, zwei giftige; die erste floh, und die zweite wurde durch einen schnellen, wohlgezielten Messerhieb des Apatschen getötet. Dieser hielt nach längerer Zeit inne, wendete den Kopf zu seinem Gefährten und deutete auf seine Nase. Old Shatterhand verstand diese stille Aufforderung und sog die Luft langsam und prüfend ein. Er roch den Rauch eines Lagerfeuers und gab dies dem Apatschen durch ein zustimmendes Nicken zu erkennen. Sie näherten sich dem Platze, an welchem sich die Komantschen befanden.
    Nun ging es eine Strecke weiter bis zu einer Stelle, an welcher Winnetou dem heimlichen Pfade eine doppelte Breite gegeben hatte. Er winkte den Gefährten zu sich heran und flüsterte, als dieser sich an seiner Seite befand, ihm zu:
    »Hört mein Bruder, daß wir uns ganz nahe beim Feinde befinden?«
    »Nein,« lautete die ebenso leise Antwort.
    »Wir brauchen nur die wenigen Schößlinge vor uns auseinander zu biegen, so sehen wir die Komantschen grade vor uns.«
    »Aber es ist nicht das geringste Geräusch zu vernehmen; man hört nicht einen einzigen sprechen. Sollten sie

Weitere Kostenlose Bücher