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Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe

Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe

Titel: Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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steige hinab, um zu erfahren, welches Versteck die Komantschen wählen.«
    Er ging, und Old Shatterhand blieb allein zurück. Er dachte nicht im mindesten an die Gefahr, in welcher er sich mit seinen Gefährten befand, denn wer sich fast täglich in Gefahr befindet, dem wird sie schließlich so vertraut, daß sie ihm nicht mehr als Gefahr erscheint; es kann sogar sein, daß er sich nicht wohl fühlt, wenn sie ihm fehlt, sie und die mit ihr verbundene oder durch sie bedingte Anstrengung aller geistigen und körperlichen Kräfte und Fertigkeiten.
    Es verging wieder eine Stunde und abermals eine, ohne daß der Erwartete erschien. Er hätte eigentlich nun da sein müssen, doch verlor Old Shatterhand nicht die Geduld, denn es waren zehn und hundert verschiedene Veranlassungen möglich, welche geeignet waren, den verräterischen Halbindianer unterwegs aufzuhalten. Nach abermals einer halben Stunde endlich sah er ihn kommen und der Fährte der Komantschen nach der gegenüberliegenden Seite des Thales folgen. Da der Scout auf dieser Spur ritt, mußte er den ganzen Umweg der Komantschen hinaus in die Prairie machen; er konnte also kaum eher als in einer Stunde unten am Corner-top eintreffen. Old Shatterhand konnte nun seinen Posten verlassen und stieg so rasch wie möglich zu seinen Gefährten hinab. Er fand sie da, wo er sie verlassen hatte, und Winnetou war bei ihnen. Als er berichtete, daß er das Halbblut habe kommen sehen, bemerkte der Apatsche:
    »Er hat sich sehr verspätet. Ahnt mein Bruder, was ihn aufgehalten hat?«
    »Es gibt viele Gründe, welche seinen Ritt verlangsamt haben können,« antwortete Old Shatterhand.
    »Vielleicht ist er nicht gezwungen worden, sondern hat sich freiwillig verweilt.«
    »Das würde mir das liebste sein, nämlich wenn er nach seiner eiligen Flucht vom Camp sich eines andern besonnen und wieder umgekehrt wäre, um uns zu belauschen.«
    »Was sagen Sie da?« fragte der Hobble-Frank, als er diese Worte hörte. »Es würde Ihnen lieb sein, wenn er uns belauscht hätte?«
    »Ja.«
    »Von eenem Feinde beobachtet zu werden, is aber doch schtets eene Sache, für die man sich bedanken muß?«
    »Nein, wenigstens in diesem Falle nicht.«
    »Das is mir so unverschtändlich, daß ich es nich begreifen kann, obgleich ich sonst een sehr offenes Gemüt und eene noch viel öffentlichere Fassungsgabe besitze. Wenn er uns belauscht hat, so weeß er doch zum Beispiel, daß wir gar nich das Thal heruntergeritten kommen, weil wir mit der Eisenbahn gefahren sind.«
    »Wenn er das wüßte, grad dieses wäre mir lieb.«
    »Hören Sie, Herr Shatterhand, haben Sie doch die Güte, und braten Sie mir eenen Storch! Unsre Eisenbahnfahrt is doch von allergrößter Wichtigkeet, und wenn so was Wichtiges verraten wird, da kann es keene guten Folgen haben!«
    »Mache dir keine Gedanken, lieber Frank! Ich hoffe, daß du mich nicht für unvorsichtig oder gar für leichtsinnig hältst?«
    »Das beileibe nich! So een horribler Gedanke kann sich unmöglich in meine leidenschaftliche Gegenliebe schtehlen. Sie wissen, daß Sie mein Vorbild, mein Beispiel, meine Richtschnur, mein Ideal und meine Musterkarte in jeder Beziehung sind; Sie leuchten mir voran off meinem Lebenswege wie die Kummetlaterne am Sattelpferde eenes Niederlausitzer Botenfuhrmannswagens; Sie sind mein Leitschtern, dem ich folge, wie die Hammelherde dem geliebten Schäfersmann; denken Sie sich doch nur, was für een ungeheures Vertrauen das meinerseits voraussetzt? Und da soll es möglich sein, daß ich Sie für leichtsinnig halte? Das würde ja die allergrößte Majestätsbeleidigung sein, freilich viel weniger an Ihrer als vielmehr an meiner Majestät!«
    »So halte also diese deine Majestät bei allen ihren vier Zipfeln fest, indem du mir vertraust! Du wirst wahrscheinlich bald erfahren, daß ich recht gehabt habe. Ich werde mich mit Winnetou entfernen, um die Komantschen zu behorchen. Bleibt hier zurück, verhaltet euch still, und verlaßt diesen Ort auf keinen Fall eher, als bis wir zurückgekommen sind!«
    »Aber wenn Sie nu aber nich zurückkommen?«
    »Wir kommen, wenigstens einer von uns; darauf könnt ihr euch verlassen.«
    Und sich an Winnetou wendend, fragte er diesen: »Weiß mein roter Bruder, wo die Feinde sich gelagert haben?«
    »Ich weiß es,« antwortete der Häuptling der Apatschen.
    »Ist es weit von hier?«
    »Nein.«
    »Sind sie schwer zu beschleichen?«
    »Für andre würde es schwierig sein, für Old Shatterhand und mich aber ist es

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