Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe
und gar nicht wie Leute aus, vor denen man sich zu fürchten hätte!«
»Deine Rede klingt sehr stolz; aber das Entsetzen würde dich ergreifen, wenn du hörtest, wer ich bin!«
»Bilde dir nichts ein! Magst du sein, wer du willst; du bist ein ganz gemeiner Dieb und Räuber, den wir nachher mit einem recht guten und dauerhaften Stricke aufhängen werden.«
»Du weißt nicht, was du redest! Es gibt keinen Menschen, der es wagen würde, nur daran zu denken, mich aufzuhängen.«
»
Pshaw!
Verbrecher hängt man auf; das ist so bei uns Gebrauch, und du bist ein Verbrecher!«
»Schweig! Ich bin Tokvi-Kava, der oberste Häuptling der Naiini-Komantschen.«
»Das ist wohl möglich, kann mir aber nicht imponieren und ändert an der Sache nichts. Wenn du der Oberste dieser Schurken bist, so wird dein Rang zwar gern von uns berücksichtigt werden, doch nur in der Weise, daß wir dich ein Stück höher hängen als deine Leute.«
»Wenn du nicht vor Angst so redest, so ist’s der Wahnsinn, der aus dir spricht. Wenn man einen Menschen aufhängen will, so muß man ihn doch erst gefangen genommen haben!«
»Meinst du etwa, daß du nicht unser Gefangener bist?«
»Ich bin es; aber ihr werdet mich sofort wieder freigeben müssen.«
»Sofort? Ah!«
»Ja, sofort, denn ihr könnt keinen Grund angeben, weshalb ihr mich ergriffen und gebunden habt.«
»Du irrst. Wir haben mehr Gründe, als wir eigentlich brauchen.«
»So gebt sie an! Ich werde euch beweisen, daß diese Gründe nichts taugen. Und selbst wenn ihr gute Gründe hattet, müßtet ihr mich gehen lassen; denn wenn ihr dies nicht thätet, so würden meine Krieger mich holen und euch dadurch bestrafen, daß sie Firwood-Camp verbrennen, alle seine Bewohner töten und die Schienen des Feuerrosses aus der Erde reißen. Ich habe Macht über euch alle, und ihr dürft nur dann auf Gnade rechnen, wenn ihr mich sofort losbindet und mir die Freiheit gebt.«
»Willst du, daß ich dich vor diesen deinen zwei Kriegern verlache? Du wagst es, mir zu drohen, obgleich du vor mir liegst wie eine Schlange, welcher die Giftzähne genommen worden sind! Es fällt mir gar nicht ein, dir die Freiheit wiederzugeben. Und selbst wenn ich es wollte, dürfte ich es nicht thun.«
»Warum nicht?«
»Weil es zwei berühmte Krieger gibt, die dies nicht zugeben würden.«
»Welche Krieger?«
»Old Shatterhand und Winnetou.«
Da lachte der Häuptling laut und höhnisch auf und sagte:
»Jetzt weiß ich es gewiß, daß es doch nur die Angst ist, welche aus dir redet. Du nennst diese Namen, um mir bange zu machen; ich aber weiß, daß sich diese beiden Krieger gar nicht hier befinden.«
»Du weißt nichts!«
»Ich weiß es und werde es dir beweisen. Ja, sie sind gestern abend hier gewesen, aber aus Angst vor mir haben sie das Camp sofort wieder verlassen.«
»
Ridiculous!
Wieder aus Angst vor dir! Es gibt keinen Menschen, der im stande wäre, Old Shatterhand und Winnetou Furcht einzujagen.«
»Warum haben sie da das Camp so schnell verlassen?«
»Bist du so fest davon überzeugt, daß sie sich nicht hier befinden?«
»Sie sind nicht hier; ich habe es gesagt, und Tokvi-weiß stets ganz genau, was er sagt. Sie hatten Angst vor mir und sind mit dem Wagen des Feuerrosses davongeeilt. Howgh!«
Da ertönte hinter ihm die Stimme Old Shatterhands:
»Howgh! Dieses Wort gilt für jeden Krieger als eine Beteurung, als ein Schwur. Indem Tokvi-Kava es ausgesprochen hat, hat er eine Unwahrheit beschworen und wird von nun an unter die Lügner gezählt.«
Während er das sagte, umschritt er die Gefangenen, so daß er nun vor ihnen stand.
»Uff, uff!« rief da der Häuptling erschrocken. »Das ist Old Shatterhand!«
»Ja, das bin ich. Und wer ist der, den du hier neben mir siehst?«
Winnetou war ihm nachgekommen und stellte sich an seine Seite. Als der Komantsche diesen erblickte, entfuhr ihm der Ausruf des vermehrten Schreckes:
»Und Winnetou, der Häuptling der Apatschen! Wo kommen diese beiden Männer her?«
Da nickte ihm Old Shatterhand mit seiner freundlichsten Miene zu und antwortete:
»Du wirst dich außerordentlich freuen, zu hören, daß wir grad von daher kommen, woher auch du gekommen bist, nämlich vom Alder-Spring!«
»Ich war nicht am Alder-Spring!«
»Aber ganz in der Nähe desselben, nämlich beim Hurricane am Corner-top, um uns heut abend am Alder-Spring zu fangen.«
Der Häuptling war über diese Antwort so betroffen, daß es ihm Mühe kostete, sich zu beherrschen, und daß eine
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