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Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe

Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe

Titel: Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Verräter, welcher den Ueberfall vorbereitet hat. Du weißt, daß man Spione henkt, und daß es nie vorkommt, daß einer Gnade findet.«
    »So werden wir kämpfen!« drohte er.
    »Thut es! Schau da hinab! Kann eine einzige von euern Kugeln treffen? Dagegen bedarf es nur eines einzigen Rufes von mir, so krachen alle unsre Gewehre. Wenn jedes Bleichgesicht nur zweimal schießt, lebt keine einzige Rothaut mehr. Das weißt du auch, ohne daß ich es dir erst zu sagen brauche.«
    »Uff! Seit wann ist Old Shatterhand ein so blutdürstiger Mensch geworden?«
    »Seit du Gerechtigkeit von mir gefordert hast; denn die Gerechtigkeit verlangt euer Blut, nichts andres und geringeres.«
    »Man sagt, du seist stolz darauf ein Christ, ein guter Mensch zu sein?«
    »Gut soll jeder Mensch sein; ein Grund zum Stolze aber ist das nicht.«
    »Ist es gut, nach Rache zu lechzen?«
    »Ich lechze nicht. Versuche es nicht, mich mit solchen Worten zu gewinnen. Was hatten euch die Bewohner dieses Camp gethan, daß ihr sie morden und skalpieren wolltet? Nichts! Du verlangst, daß euch trotzdem nichts geschehe. Seid ihr etwa ebenso unschuldig, wie sie waren? Euch wird nur die Gerechtigkeit, welche du gefordert hast. Gnade willst du ja nicht!«
    Wieder sank der Häuptling ratlos in sich zusammen. Er befand sich in einer für ihn fürchterlichen Lage. Er konnte sich und seine Leute weder mit List noch durch Gewalt retten; das sah er ein; aber durfte er, der stolze Häuptling, der sich für den berühmtesten, tapfersten und gefürchtetsten Komantschen hielt, grad diese beiden Männer, die als ihre gehaßtesten Gegner galten, um Gnade und Schonung bitten? Alles, alles, was in ihm lebte, sträubte sich dagegen, und doch sah er keine andre Möglichkeit, dem Tode zu entgehen. Er fürchtete den Tod zwar nicht, nämlich den Tod an sich; aber er fürchtete die Todesart, die ihm hier drohte, denn nach seinem Glauben kann die Seele eines Menschen, der durch Hinrichtung stirbt, nicht in die ewigen Jagdgründe gelangen. Dieser Gedanke flößte ihm eine Angst ein, welche er nicht zu überwinden vermochte. Dabei wallte in ihm ein Zorn empor, ein Haß gegen Winnetou und Old Shatterhand, der ihm den heißen Wunsch eingab, leben zu bleiben, um sich an diesen beiden Menschen rächen, aber ganz fürchterlich, ganz entsetzlich rächen zu können. Und dieser Haß, dieser Wunsch war es, welcher ihn veranlaßte, seinen Stolz zu überwinden und etwas zu thun, was er sonst auf keinen Fall gethan hätte. Er hob langsam den Kopf und fragte mit unsicherer Stimme:
    »Was versteht Old Shatterhand unter Gnade?«
    »Die Erteilung einer milderen oder gar den Erlaß der ganzen Strafe.«
    »Würdet ihr uns die Strafe ganz erlassen?«
    »Nein; das ist unmöglich.«
    »Aber das Leben könnten wir erhalten?«
    »Vielleicht. Winnetou und ich, wir trachten nicht nach eurem Leben. Wir sind Freunde aller weißen und aller roten Männer und vergießen nur dann das Blut eines Menschen, wenn er selbst uns zwingt, dies zu thun.«
    »So würdet ihr uns das Leben schenken?«
    »Ja.«
    »Uff! Wenn ihr das thut, die ihr die größten, die berühmtesten unter diesen Bleichgesichtern seid, so werden die andern eurem Beispiele folgen müssen!«
    »Müssen? Davon kann keine Rede sein. Die andern Bleichgesichter sind freie Männer, grad wie wir; sie kennen die Gesetze, nach denen im wilden Westen gerichtet wird, und wir haben ihnen nichts zu befehlen.«
    »Du hieltest es aber doch für eine Möglichkeit, daß auch sie unser Leben schonen!«
    »Allerdings, Winnetou und ich, wir werden uns Mühe geben, sie dazu zu bewegen. Es wird nicht leicht sein, ihre Rache in Nachsicht zu verwandeln; aber wir hoffen doch, es zu erreichen, wenn du das Deinige nicht versäumst, ihren Zorn zu besänftigen.«
    »Was sollen wir thun?«
    »Euch ergeben.«
    »Ergeben?« fuhr er auf. »Bist du toll!«
    »Ist es toll von mir, wenn ich euch retten will? Gut! Ich pflege keine Tollheiten zu begehen; schweigen wir also davon! Ich habe dich hierher geführt, um dir zu beweisen, daß euer Widerstand uns keinen Tropfen Blutes kosten wird, euch aber augenblicklich ins Verderben führt. Diesen Zweck habe ich erreicht. Wenn ich das Zeichen gebe, gehen alle unsre Gewehre los; wir werden euch die Skalpe nehmen, und eure Seelen werden dann in den ewigen Jagdgründen verurteilt sein, als verächtliche Diener und Sklaven unsern Geistern um die Füße zu kriechen. Du hast es nicht anders gewollt. Komm!«
    »Wo willst du hin?«
    »Wieder

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