Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe
Vorhang aber niedergeht. In dieser Weise denke ich mir das Festprogramm, und nu, meine Herrschaften und übrigen Gentlemen, mag das Schtück beginnen. Wer am besten schpielt, kriegt ooch keene Gage!«
Der kleine, lustige Kerl war ganz begeistert von der Aufgabe, die ihm zugeteilt worden war. Er hatte seinen launigen Vortrag zwar in deutscher Sprache gehalten und konnte also nur von den Deutschen vollständig verstanden werden, doch waren seine Gestikulationen und sein Mienenspiel so bezeichnend gewesen, daß auch die andern Weißen sich denken konnten, was er meinte; die Roten aber hatten keine Ahnung davon.
Der Häuptling allerdings sah die Blicke, welche sich auf ihn richteten; er sah das Bowiemesser in der Hand des Hobble-Frank, und er sah die chinesischen Zöpfe, welche dieser von Old Shatterhand erhalten hatte. Er mußte schließen, daß es mit diesen Gegenständen auf ihn abgesehen sei, aber was man vorhatte, das konnte er sich doch nicht denken. Etwas Gutes war es jedenfalls nicht, das sagte er sich, indem er an die Art und Weise dachte, in welcher er Old Shatterhand beleidigt hatte. Es wurde ihm bange, und diese Bangigkeit steigerte sich, als Kas und Has rechts und links von ihm niederknieten und ihn ganz unheimlich verheißungsvoll mit ihren Blicken maßen.
»Was wollt ihr hier? Was soll mit mir geschehen?« fragte er sie.
An ihrer Stelle antwortete Old Shatterhand:
»Du sollst ein Geschenk von mir erhalten, weil du so freundlich und so höflich zu mir gewesen bist.«
»Welches Geschenk?«
»Ihr seid hierher gekommen, um euch die Skalpe der gelben Männer zu holen, habt sie aber leider nicht bekommen können, weil die Chinesen sie selbst behalten wollten. Da du denken kannst, wie sehr ich dir gewogen bin, wirst du einsehen, wie leid es mir thut, daß auch du als Häuptling auf den Besitz eines solchen Skalpes verzichten sollst. Mein gutes Herz hat es darum möglich gemacht, dich nicht nur mit einem Zopfe, sondern sogar mit diesen zwei Zöpfen überraschen zu können. Ich hoffe, daß du diese Gaben dankbar von mir entgegennimmst!«
Tokvi-Kava ließ ein zweifelhaft klingendes »Uff!« hören, da er keine andre Antwort geben konnte, weil er nicht wußte, welche Absicht sich hinter den freundlichen Worten des Sprechers verbarg. Dieser fuhr fort:
»Zöpfe gehören natürlich an den Kopf, und so denke ich, daß es dir lieb ist, wenn ich sie da anbinden lasse, wo du sie zum Andenken an mich tragen wirst.«
»Uff, uff!« antwortete er da, zornig werdend. »Skalpe hängt man nicht an den Kopf, sondern an den Gürtel. Und das sind gar nicht Skalpe, sondern nur Haare der feigen Gelbhäute ohne Haut daran. Der Krieger, welcher solche Haare trüge, würde von den Kindern und von den alten Weibern verlacht und verspottet werden!«
»Du wirst sie aber dennoch tragen, denn ich schenke sie dir und bin gewohnt, daß meine Gaben geachtet werden.«
»Behalte sie; ich mag sie nicht!«
»Ob du sie magst oder nicht, danach frage ich nicht. Sie sind für dich bestimmt, und ich werde sie dir jetzt anheften lassen.«
»Wage es, dies zu thun!« schrie der Rote auf. »Vergiß nicht, daß ich ein Häuptling bin!«
»
Pshaw!
Du weißt ganz genau, daß auch ich ein Häuptling bin, ein Häuptling der weißen Jäger und zugleich ein Häuptling der Apatschen, die mich mit derselben Macht wie Winnetou bekleidet haben. Und wie hast du vorhin gewagt, mit mir zu sprechen! Meinst du, Wurm, daß ich in dir den Häuptling achten müsse, den du in mir verspottet hast? Du bist seit vorhin in meinen Augen nichts, als eine rote Fratze, an welche ich die Zöpfe der Chinesen hängen werde, zur ernst gemeinten Mahnung an deine Krieger, daß ja nicht wieder irgend einer von ihnen sich erdreiste, zu denken, Winnetou und Old Shatterhand seien Knaben, mit denen man machen könne, was man will!«
Die Augen Tokvi-Kavas wurden stier; er biß die Zähne zusammen und zischte zwischen denselben hervor:
»Ich warne dich. Wage es ja nicht, den Kopf eines Kriegshäuptlings mit diesem Abfall gelber Hunde zu beleidigen!«
»Du sprichst von einem Wagnis und wagst es doch selbst, mich zu warnen? Ich habe dich vorhin auch gewarnt. Hast du auf mich gehört? Jetzt kommen die Folgen, da du mir nicht glaubtest, daß du deine Beleidigungen bereuen würdest. Du wirst diesen ›Abfall gelber Hunde‹ tragen, und ich will dir das so bequem wie möglich machen. Du bist nicht bloß mit der Skalplocke, sondern mit dem vollen Haar geschmückt; dieses Haar und dazu
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