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Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe

Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe

Titel: Der schwarze Mustang. Erzählungen, Aufsätze und offene Briefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wir nehmen ihm seinen bisherigen Namen und geben ihm einen andern. Er ist jetzt unter die Chinesen gegangen, welche er gelbe Hunde nannte, und so soll er von jetzt an nicht mehr Tokvi-Kava sondern Mungwi Ekknan Makik heißen.«
    Diese drei Worte bedeuten, in das Deutsche übersetzt, soviel wie »Häuptling der gelben Hunde«. Der Hobble-Frank hatte Deutsch gesprochen und Old Shatterhand ihm in derselben Sprache geantwortet. Der letztere rief nun laut, damit auch alle andern es verstehen sollten, erst in englischer und dann in der Sprache der Komantschen:
    »Hört, was geschehen ist! Weil der Häuptling der Komantschen sich seines bisherigen Namens nicht würdig gezeigt hat und vorhin, als wir ihn verhörten, so feig war, seine Absichten zu leugnen, wird er von den weißen Männern aus den Reihen der tapferen und mutigen roten Krieger gestrichen. Er ist unwürdig geworden, seine Medizin weiter zu tragen. Wir nehmen sie ihm und hängen ihm dafür eine andre, nämlich die Haare der ›gelben Hunde‹, an den Kopf, und dieser neuen Medizin zu Ehren soll er von heute an nicht anders als Mungwi Ekknan Makik genannt werden. Old Shatterhand hat gesprochen!«
    Es gibt im Leben eines Indianers Vorkommnisse und Gegenstände, welche von außerordentlicher, tief einschneidender Wichtigkeit für ihn sind. Das wichtigste Vorkommnis ist die Namengebung, der wichtigste Gegenstand die Medizin. Bei den Indianern gibt es weder Familien-noch Vornamen; es hat sich jeder seinen Namen zu erwerben, zu verdienen, und das geschieht durch hervorragende Thaten oder Eigenschaften. Verliert er diese Eigenschaften, oder gibt er Veranlassung, diese Thaten zu vergessen, so nimmt man ihm den betreffenden Namen und er hat, wenn er nicht gar wegen Ehrlosigkeit vom Stamme ausgestoßen wird, sich unter großen Gefahren und Entbehrungen einen neuen zu erwerben. Ein ehrenvoller Name ist also jedem roten Krieger ebensoviel wert wie sein Leben.
    Aehnlich ist es mit der Medizin, deren mühevolle Erwerbung überhaupt sehr häufig mit der Namengebung zusammenhängt. Das Wort Medizin hat dabei nicht etwa die Bedeutung, welche die Weißen ihm beilegen. Als die ersten Weißen zu den Indianern kamen, waren die Heilmittel der ersteren den letzteren vollständig unbekannt; die Wirkung derselben war den Roten unerklärlich, sie hielten sie für Zauberei, für etwas vom guten oder vom bösen Geist Ausgehendes, und gewöhnten sich in der Folge, alles, was ihnen unbegreiflich oder heilig war, alles, was sie mit dem göttlichen Einflusse in Verbindung brachten, Medizin zu nennen.
    Die Zeiten sind jetzt ganz andre geworden. Die Horden der wilden Büffel und Mustangs sind verschwunden und mit ihnen die sehnigen, kräftigen und kühnen Gestalten der roten Krieger und weißen Westmänner. Leute wie Old Firehand, Old Surehand, Sam Hawkens und viele andre, deren Ruhm in aller Munde lebte, sind fast zur Sage geworden, und wenn man erfährt, daß Old Shatterhand noch zu den Lebenden gehört, so fühlt man, falls man ihn nicht selbst gesehen hat, sich geneigt, auch dies für eine Mythe zu halten. Aber damals, als die Savannen und Felsenberge, die tief eingeschnittenen Cañons und Schluchten des wilden Westens noch die Schauplätze von Heldenthaten waren, welche man getrost mit den Thaten der homerschen Helden vergleichen kann, damals, als es überhaupt noch einen »wilden Westen« gab, damals war der Indianer noch nicht der gott-und menschverlassene, heruntergekommene oder vielmehr heruntergedrückte Mensch, der er jetzt geworden ist; damals kannte er hohe Pflichten, damals wußte er, was Ehre ist, damals gab es für ihn noch Ideale, noch Begriffe, die ihm viel, viel höher standen als sein irdisches Wohlergehen, und er besaß einen sichtbaren Gegenstand, an welchen er diese Begriffe und dieses Streben nach Idealen knüpfte. Dieser Gegenstand war »die Medizin«.
    Was man unter der »Medizin« eines Indianers zu verstehen hat, wird jeder Leser wissen; es kennt jeder auch die Voraussetzungen und Zeremonien, unter denen sie zu erlangen war, und die hohe Wichtigkeit, die sie für das ganze Leben hatte. Medizin konnte jeder Gegenstand sein; aber so verschieden die tausendfältigen Medizinen der Krieger auch nur eines Stammes waren, ihre Bedeutung war doch nur eine, eine einzige: sie war das Symbol alles Erhabenen, alles Heiligen; an ihrem Besitze hing der gute Name, die Ehre, die ganze Zukunft, ja, die Seligkeit des Besitzers, und wehe dem, der sie durch Unachtsamkeit verlor oder dem

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