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Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend

Titel: Der schwarze Obelisk. Geschichte einer verspäteten Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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Aktienhandel, wie dein Freund Willy?»
      «Weil ich ein sentimentaler Philosoph bin und den Grabsteinen treu bleibe. Also wie ist es mit der Gehaltserhöhung? Auch Philosophen brauchen einen bescheidenen Aufwand an Garderobe.»
      «Kannst du den Schlips nicht morgen kaufen?»
      «Morgen ist Sonntag. Und morgen brauche ich ihn.»
      Georg holt vom Vorplatz den Koffer mit Geld herein. Er greif hinein und wirf mir zwei Pakete zu. «Reicht das?»
      Ich sehe, daß es meistens Hunderter sind. «Gib ein halbes Kilo mehr von dem Tapetenpapier», sage ich. «Das hier sind höchstens fünfausend. Katholische Schieber legen das sonntags als Meßpfennig auf den Teller und schämen sich, weil sie so geizig sind.»
      Georg kratzt sich den kahlen Schädel – eine atavistische Geste, ohne Sinn bei ihm. Dann reicht er mir einen dritten Packen. «Gott sei Dank, daß morgen Sonntag ist», sagt er. «Da gibt es keine Dollarkurse. Einen Tag in der Woche steht die Inflation still. Gott hat das sicher nicht so gemeint, als er den Sonntag schuf.»
      «Wie ist es eigentlich mit uns?» frage ich. «Sind wir pleite, oder geht es uns glänzend?»
      Georg tut einen langen Zug aus seiner Meerschaumspitze.
      «Ich glaube, das weiß heute keiner mehr von sich in Deutschland. Nicht einmal der göttliche Stinnes. Die Sparer sind natürlich alle pleite. Die Arbeiter und Gehaltsempfänger auch. Von den kleinen Geschäfsleuten die meisten, ohne es zu wissen. Wirklich glänzend geht es nur den Leuten mit Devisen, Aktien oder großen Sachwerten. Also nicht uns. Genügt das zu deiner Erleuchtung?»
      «Sachwerte!» Ich sehe hinaus in den Garten, in dem unser Lager steht. «Wir haben wahrhaftig nicht mehr allzu viele. Hauptsächlich Sandstein und gegossenes Zeug. Aber wenig Marmor und Granit. Und das bißchen, was wir haben, verkauf uns dein Bruder mit Verlust. Am besten wäre es, wir verkaufen gar nichts, was?»
      Georg braucht nicht zu antworten. Eine Fahrradglocke erklingt draußen. Schritte kommen über die alten Stufen. Jemand hustet rechthaberisch. Es ist das Sorgenkind des Hauses, Heinrich Kroll junior, der zweite Inhaber der Firma.
      Er ist ein kleiner, korpulenter Mann mit einem strohigen Schnurrbart und staubigen, gestreifen Hosen, die durch Radfahrklammern unten zusammengehalten werden. Mit leichter Mißbilligung streifen seine Augen Georg und mich. Wir sind für ihn die Bürohengste, die den ganzen Tag herumbummeln, während er der Mann der Tat ist, der den Außendienst betreut. Er ist unverwüstlich. Mit dem Morgengrauen zieht er jeden Tag zum Bahnhof und dann mit dem Fahrrad auf die entlegensten Dörfer, wenn unsere Agenten, die Totengräber oder Lehrer, eine Leiche gemeldet haben. Er ist nicht ungeschickt. Seine Korpulenz ist vertrauenswürdig; deshalb hält er sie durch fleißige Früh- und Dämmerschoppen auf der Höhe. Bauern haben kleine Dicke lieber als verhungert aussehende Dünne. Dazu kommt sein Anzug. Er trägt nicht, wie die Konkurrenz bei Steinmeyer, einen schwarzen Gehrock; auch nicht, wie die Reisenden von Hollmann und Klotz, blaue Straßenanzüge – das eine ist zu deutlich, das andere zu unbeteiligt. Heinrich Kroll trägt den kleinen Besuchsanzug, gestreife Hose mit Marengo-Jackett, dazu einen altmodischen, harten Stehkragen mit Ecken und eine gedämpfe Krawatte mit viel Schwarz darin. Er hat vor zwei Jahren einen Augenblick geschwankt, als er dieses Kostüm bestellte; er überlegte, ob ein Cutaway nicht passender für ihn wäre, entschied sich dann aber dagegen, weil er zu klein ist. Es war ein glücklicher Verzicht; auch Napoleon hätte lächerlich in einem Schwalbenschwanz ausgesehen. So, in der heutigen Aufmachung, wirkt Heinrich Kroll wie ein kleiner Empfangschef des lieben Gottes – und das ist genau, wie es sein soll. Die Radfahrklammern geben dem Ganzen noch einen heimeligen, aber raffinierten Zug – von Leuten, die sie tragen, glaubt man, im Zeitalter des Autos billiger kaufen zu können.
      Heinrich legt seinen Hut ab und wischt sich mit dem Taschentuch über die Stirn. Es ist draußen ziemlich kühl, und er schwitzt nicht; er tut es nur, um uns zu zeigen, was für ein Schwerarbeiter er gegen uns Schreibtischwanzen ist.
      «Ich habe das Kreuzdenkmal verkauf», sagte er mit gespielter Bescheidenheit, hinter der ein gewaltiger Triumph schweigend brüllt.
    «Welches? Das kleine aus Marmor?» frage ich hoffnungsvoll.
    «Das große», erwidert er noch schlichter und starrt mich

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