Der schwarze Schleier
Thomas.«
»Wirklich?«, fragte ich.
»Wirklich und wahrhaftig«, antwortete er. »Thomas, hüte dich vor Neid. Er ist das grünäugige Ungeheuer 16 , das niemals eine glänzende Stunde verbessert hat und das auch nie tun wird, ganz im Gegenteil. Mir graust vor neidischen Männern, Thomas. Ich muss gestehen, dass ich mich vor neidischen Männern fürchte, wenn sie so neidisch sind wie du. Während du die Werke eines begabten Rivalen betrachtetest und während du das Lob für diesen Rivalen hörtest und besonders, während dein Blick auf seinen bescheidenen Blick traf, als er die Karte wegsteckte, da waren deine Gesichtszüge so bösartig, dass es schon erschreckend war. Thomas, ich habe vom Neid derjenigen gehört, die dem bildenden Kunstgeschäft nachgehen, aber ich hätte niemals geglaubt, dass er so sein könnte, wie deiner es ist. Ich wünsche dir alles Gute, aber jetzt verabschiede ich mich von dir. Und solltest du je in Schwierigkeiten geraten, weil du einen Künstlerkollegen erstochen – oder sagen wir mal, erwürgt – hast, was ich wirklich für wahrscheinlich halte, dann benenne mich besser nicht als Leumundszeugen, Thomas, sonst werde ich mich gezwungen sehen, deinem Fall vor Gericht sehr zu schaden.«
Mit diesen Worten verabschiedete sich Mr. Click von mir, und unsere Bekanntschaft war beendet.
Ich verliebte mich. Ihr Name war Henrietta. Durchaus entgegen meiner unkomplizierten Natur stand ich oft auf, um ihr nachzusteigen. Sie wohnte auch in der Nachbarschaft des Obelisken oder Hindernisses, und ich hoffte von Herzen, dass sich unserer Verbindung kein solches Hindernis in den Weg stellen würde.
Zu sagen, dass Henrietta wankelmütig war, ist gleichbedeutend mit der Aussage, dass sie eine Frau war. Zu sagen, dass sie in der Putzmacherei arbeitete, ist nur ein unzureichender Ausdruck für den Geschmack, der bei ihrem eigenen Putz zum Tragen kam.
Sie erklärte sich einverstanden, mit mir spazieren zu gehen. Lassen Sie mich der Gerechtigkeit halber sagen, dass sie dies nur auf Probe tat. »Ich bin noch nicht«, sagte Henrietta, »bereit, dich, Thomas, in einem anderen Lichte denn als Freund zu sehen; aber als Freundin bin ich bereit, mit dir spazieren zu gehen, und es ist durchaus möglich, dass daraus auch zärtlichere Gefühle sprießen könnten.«
Wir gingen spazieren.
Unter dem Einfluss von Henriettas Verführungskünsten stand ich nun täglich aus dem Bett auf. Ich betrieb mein Geschäft mit einem bis dato ungekannten Fleiß, und es kann in dieser Zeit bei denen, die mit den Straßen Londons am vertrautesten waren, nicht unbemerkt geblieben sein, dass das Angebot stark erhöht war. Aber Halt! So weit bin ich noch nicht!
Eines Abends im Oktober ging ich mit Henrietta spazieren und genoss die kühle Brise, die über die Vauxhall Bridge strich. Nach einigen langsamen Runden gähnte Henrietta häufig (so untrennbar ist die Liebe zu aufregenden Dingen mit der weiblichen Natur verbunden) und sagte: »Lass uns über Grosvenor Place, Piccadilly und Waterloo nach Hause gehen« – alle, darf ich hier zur Erhellungder Fremden und Ausländer hinzufügen, in London wohlbekannt und letzteres eine Brücke.
»Nein, nicht über Piccadilly, Henrietta«, sagte ich.
»Und warum nicht über Piccadilly, um Himmels willen?«, fragte Henrietta.
Konnte ich es ihr sagen? Konnte ich ihr die düstere Vorahnung gestehen, die mich überschattete? Konnte ich mich ihr verständlich machen? Nein.
»Ich mag Piccadilly nicht, Henrietta.«
»Aber ich«, erwiderte sie. »Jetzt ist es dunkel, und die langen Reihen von Laternen am Piccadilly sind dann so wunderschön. Ich
will
zum Piccadilly gehen!«
Natürlich gingen wir hin. Es war ein angenehmer Abend, und es waren unzählige Leute auf den Straßen unterwegs. Der Abend war frisch, aber nicht zu kalt und auch nicht feucht. Lassen Sie mich düster anmerken, dass es der bestmögliche Abend war –
für diesen Zweck
.
Als wir an der Gartenmauer des Königlichen Palastes vorbeikamen und den Grosvenor Place hinaufgingen, murmelte Henrietta: »Ich wünschte, ich wäre eine Königin!«
»Warum das, Henrietta?«
»Ich würde aus
dir
etwas Besonderes machen«, antwortete sie, verschränkte ihre Hände an meinem Arm und wandte den Kopf ab.
Daraus schloss ich, dass die zärtlicheren Gefühle zu sprießen begonnen hatten, und passte mein Verhalten dieser Überzeugung an. So begaben wir uns nun glücklich zu der verhassten Durchgangsstraße des Piccadilly. Auf der rechten Seite
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