Der schwarze Schleier
mit einem Lederlappen zu verwischen und den Abstrich von ein, zwei Buchstaben zu verstärken. Ich habe zu erwähnen vergessen, dass die Schrift einen Teil der Gesamtkomposition bildete und dass sie ebenfalls – wie mir schien – hervorragend ausgeführt war. Sie lautete, in schönen, abgerundeten Buchstaben: »Ein ehrlicher Mann ist das beste Geschöpf Gottes. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 0. Pfund Shilling Pence. Schreibarbeit ergebenst gesucht. Ein Hoch auf die Königin. Hunger ist ein 0 9 8 7 6 5 4 3 2 1 scharfer Stachel. Tra, tra, tralala, holleri und hollero. Astronomie und Mathematik. Ich ernähre hiermit meine Familie.«
Ein Murmeln der Bewunderung für die außergewöhnliche Schönheit dieses Kunstwerks lief durch die Menge. Der Künstler setzte sich, nachdem er so letzte Hand angelegt (und die Stellen dabei verhunzt hatte), auf den Gehsteig, die Knie hoch unters Kinn gezogen, und die Halfpenny-Stückebegannen klirrend auf den Gehsteig zu regnen.
»Was für eine Schande, einen so talentierten Mann so tief gesunken zu sehen, nicht?«, sagte jemand aus der Menge zu mir.
»Was hätte der nicht alles beim Bemalen von Kutschen oder Anstreichen von Häusern leisten können!«, meinte ein anderer Mann, der das Gespräch mit dem Ersten aufnahm, weil ich es nicht getan hatte.
»Nun, allein seine Schrift ist wahrhaftig wie die des Lordkanzlers!«, fügte ein anderer Mann hinzu.
»Besser«, erwiderte noch ein anderer. »Dessen Schrift kenne ich. Der könnte seine Familie damit nicht ernähren.«
Dann bemerkte eine Frau die natürliche Flauschigkeit des Eremitenhaars und eine andere, ihre Freundin, erwähnte die Kiemen des Lachses, die man beinahe nach Luft schnappen sehen konnte. Dann trat ein älterer Herr vom Land vor und fragte den bescheidenen Mann, wie er denn seine Werke ausführte. Der bescheidene Mann zog einige Fetzen Packpapier mit farbiger Kreide darin aus der Tasche und zeigte sie ihm. Dann fragte ein Esel mit heller Gesichtshaut, sandfarbenem Haar und Brille, ob der Eremit ein Porträt wäre. Worauf der bescheidene Mann, einen traurigen Blick auf das Bild werfend, erwiderte, in gewisser Weise sei es eine Erinnerung an seinen Vater. Das veranlasste einen Jungen zu der kreischenden Frage: »Ist der Vorstehhund mit der Pfeife dann Ihre Mutter?«, worauf er unverzüglich von einem freundlichen Zimmermann mit einem Korb voller Werkzeug auf dem Rücken aus dem Blickfeld geknufft wurde.
Bei jeder neuen Frage oder Bemerkung lehnte sich die Menschenmenge eifriger vor und warf die Halfpenny-Stücke freigebiger hin, und der bescheidene Mann sammeltesie noch kleinmütiger auf. Endlich trat ein weiterer älterer Herr in die vorderste Reihe und reichte dem Künstler seine Visitenkarte, er möge morgen in sein Kontor kommen und sich etwas zum Kopieren abholen. Die Karte wurde von einem Sixpence-Stück begleitet, und der Künstler war zutiefst dankbar und las die Karte, ehe er sie sich an den Hut steckte, mehrere Male beim Licht einer seiner Kerzen durch, als wollte er sich die Adresse gut einprägen, falls die Karte verlorenginge. Die Menschenmenge verfolgte dieses letzte Geschehnis mit größtem Interesse, und ein Mann aus der zweiten Reihe knurrte den Künstler mit mürrischer Stimme an: »Jetzt hast du die Chance deines Lebens, was?« Der Künstler antwortete (jedoch recht niedergeschlagen schniefend): »Ich bin dankbar und hoffe das inständig.« Worauf sich ein allgemeiner Chor von »Das wird schon« erhob und der Hagel der Halfpenny-Stücke merklich nachließ.
Ich spürte, wie mich jemand am Arm wegzog, und dann standen Mr. Click und ich allein an der nächsten Straßenecke.
»Meine Güte, Tom«, sagte Mr. Click, »was für einen schrecklichen Gesichtsausdruck du hast!«
»Hab ich das?«, antwortete ich.
»Ob du das hast?«, meinte Mr. Click. »Nun, du siehst ganz aus, als dürstete es dich nach seinem Blut.«
»Nach wessen Blut?«
»Dem des Künstlers.«
»Dem des Künstlers?«, wiederholte ich. Und dann lachte ich verzweifelt, wild, düster, zusammenhanglos, unangenehm. Ich bin mir bewusst, dass ich das tat. Ich weiß, dass ich das tat.
Mr. Click starrte mich irgendwie verstört an, sagte aber nichts, bis wir eine ganze Straße hinter uns gebracht hatten.Dann blieb er stehen und sagte mit aufgeregt wedelndem Zeigefinger: »Thomas, ich muss jetzt ganz offen mit dir reden. Neidische Leute mag ich gar nicht. Ich weiß jetzt, welcher elende Wurm an deinem Herzen nagt; das ist nämlich der Neid,
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