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Der schwarze Schleier

Der schwarze Schleier

Titel: Der schwarze Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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führte wie ein Engel): »Dem Freund der Freundlosen zu Ehren.«
    »Keine schlechten Leute, Bebelle«, sagte Monsieur der Engländer, der sanft den Mantel ein wenig von dem schlummernden Gesichtchen wegzog, damit er es küssen konnte, »wenn sie auch so …«
    Da er selbst im Augenblick zu »sentimental« war, um noch dieses Wort hervorbringen zu können, fügte er nichts als einen tiefen Seufzer hinzu und reiste einige Meilen durch die mondhelle Nacht, die Hand vor den Augen.
    Kapitel 3
    In seinem, in Packpapier eingeschlagenen Paket
    Meine Werke sind wohlbekannt. Ich bin ein junger Mann im Kunstgeschäft. Sie haben meine Werke viele Male gesehen, aber die Chancen, dass Sie mich gesehen haben, stehen fünfzigtausend zu eins. Sie sagen, Sie wollen mich gar nicht sehen? Sie sagen, Sie interessieren sich für meine Werke und nicht für mich? Seien Sie sich da mal nicht so sicher. Warten Sie ab.
    Wir wollen es gleich von Anfang an schwarz auf weiß festlegen, damit es hinterher nicht zu Unannehmlichkeiten oder Streitereien kommt. Und ein Freund von mir, ein Billettschreiber, der sich mit der Literatur auskennt, schaut noch einmal alles durch. Ich bin ein junger Mann im Kunstgeschäft – im bildenden Kunstgeschäft. Sie haben meine Werke immer und immer wieder gesehen, und Sie sind gewiss neugierig auf mich geworden, und Sie meinen, Sie hätten mich gesehen. Nun können Sie aber gewiss sein, dass Sie mich niemals zuvor gesehen haben, dass Sie mich jetztnicht sehen und dass Sie mich auch niemals sehen werden. Ich denke, einfacher kann man es nicht ausdrücken – und genau das haut mich um.
    Wenn je eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens verkannt wurde, dann bin ich das.
    Ein gewisser (oder ungewisser) Philosoph hat einmal angemerkt, dass die Welt ihre größten Männer nicht kennt. Er hätte es noch deutlicher sagen können, wenn er je einen Blick in meine Richtung geworfen hätte. Er hätte es so ausdrücken können, dass die Welt zwar etwas von denen weiß, die nur scheinbar hinausgehen und doch gewinnen, aber nichts von denen, die wirklich hinausgehen und eben nicht gewinnen. Da haben wir’s wieder in leicht abgewandelter Form – und das haut mich um.
    Nicht, dass ich der Einzige wäre, der unter dieser Ungerechtigkeit leidet, aber mich treffen eben die mir zugefügten Verletzungen schmerzlicher als die einem anderen zugefügten. Da ich ja, wie ich bereits angemerkt habe, im Kunstgeschäft und nicht in der Philanthropiebranche tätig bin, gebe ich das unumwunden zu. Und was meine Mitverletzten angeht, von denen gibt es wahrhaftig genug. Wen lassen Sie jeden Tag in den Qualen der Prüfungen bestehen? Die glücklichen Kandidaten, denen Sie für den Rest des Lebens Herz und Nieren auf den Kopf gestellt haben? Aber nein, Sie doch nicht! Bei Ihnen bestehen nur die Büffler und Streber. Wenn Ihre Prinzipien wirklich stimmen, warum kommen Sie dann nicht morgen früh mit den Schlüsseln der Stadt auf einem Samtkissen, mit Musik und fliegenden Fahnen, fallen vor den Büfflern und Strebern auf die Knie und halten ihnen Reden und flehen sie an, sich aufzumachen und Sie zu regieren? Allerdings ist ja die Öffentlichkeit, was alle Regierungsangelegenheiten, Ihre Bilanzen und Ihre Etats angeht, wirklich und wahrhaft bestens darüber imBilde, wer das alles macht! Und ihr Edlen und Ehrenwerten Parlamentarier, ihr seid alle erstklassige Männer? Ja, ungefähr genauso wie eine Gans ein erstklassiger Vogel ist. Aber ich sage Ihnen eines über die Gänse: Sie werden feststellen, dass ihr natürliches Aroma ohne die rechte Fülle eine Enttäuschung ist.
    Vielleicht bin ich verbittert, weil ich nicht populär bin? Aber angenommen, ich wäre populär. Angenommen, meine Werke fänden immer und überall Anklang. Angenommen, sie zögen, ob sie nun bei natürlichem oder künstlichem Licht ausgestellt werden, stets die Menschen in Scharen an. Dann werden sie also zweifellos in irgendeiner Sammlung aufbewahrt? Nein, das werden sie nicht, sie werden in keiner Sammlung aufbewahrt. Copyright? Nein, auch kein Copyright. Aber immerhin müssen sie irgendwo sein? Wieder falsch, denn oft sind sie nirgends.
    Da sagen Sie: »Jedenfalls sind Sie in übler Laune, mein Freund.« Meine Antwort darauf ist: »Ich habe mich als verkannte Persönlichkeit des öffentlichen Lebens beschrieben – was es mehr als verständlich macht, dass die Milch in
dieser
Kokosnuss, meinem Schädel, reichlich sauer ist.«
    Wer London kennt, ist sicherlich mit einem Ort

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