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Der schwarze Schleier

Der schwarze Schleier

Titel: Der schwarze Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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dieser Straße steht eine Reihe von Bäumen, dann kommen das Geländer des Green Park und ein schönes, breites, passendes Stück Bürgersteig.
    »O je!«, rief Henrietta da aus. »Es hat einen Unfall gegeben!«
    Ich schaute nach links und fragte: »Wo, Henrietta?«
    »Da doch nicht, du Dummkopf!«, erwiderte Henrietta. »Da drüben, beim Parkgeländer. Wo die Menschenmenge ist. O nein, es ist gar kein Unfall, da gibt es etwas anderes zu sehen! Was sind das denn für Lichter?«
    Sie bezog sich damit auf zwei Lichter, die ganz unten zwischen den Beinen der versammelten Zuschauer blinkten: zwei Kerzen auf dem Gehsteig.
    »Oh, komm schon!«, rief Henrietta und wollte mit mir über die Straße hüpfen. Ich versuchte, sie zurückzuhalten, aber vergebens. »Lass uns mal sehen!«
    Wieder Zeichnungen auf dem Bürgersteig. Mittlere Abteilung: der Vesuv beim Feuerspeien (in einem Kreis), gestützt von vier ovalen Abteilungen mit verschiedenen Darstellungen: einem Schiff im Unwetter, einer Hammelschulter in Begleitung zweier Gurken, einer goldenen Ernte mit der Kate des Pächters in der Ferne, und Messer und Gabel ganz naturgetreu; über der mittleren Abteilung einige Weintrauben und über dem Ganzen ein Regenbogen. Alles, wie mir schien, hervorragend ausgeführt.
    Die Person, die bei diesen Kunstwerken weilte, unterschied sich in allen Belangen, außer der schäbigen Erscheinung, von der oben erwähnten anderen Person. Die gesamte Erscheinung und das Auftreten des Mannes zeigten Lebhaftigkeit. Obwohl er abgerissen war, gab er doch der Menge zu verstehen, dass die Armut seinen Geist nicht bezwungen hatte oder sein ehrliches Bemühen, seine Begabung nutzbringend einzusetzen, mit einem Gefühl der Scham eingefärbt hatte. Der Text, der zu dieser Komposition gehörte, war in ähnlich fröhlichem Ton gehalten. Er atmete die folgenden Gefühle: »Der Schreiber ist arm, aber nicht verzweifelt. Er richtet sich 1 2 3 4 5 6 7 8 9 0 an das britische Pfund Shilling Pence Publikum. Ein Hoch auf unseretapfere Armee! Und auch 0 9 8 7 6 5 4 3 2 1 auf unsere mutige Marine. Britannia siegt! Der A B C D E F G Schreiber mit den schlichten Kreiden wäre dankbar für jede angemessene Beschäftigung. Britannia! Hurra!« Und der gesamte Text schien mir hervorragend ausgeführt.
    Aber dieser Mann ähnelte dem Letzten in einem anderen Aspekt, wenn er auch scheinbar mit Packpapier und Löscher ein großes Theater veranstaltete und hart arbeitete, aber eigentlich nur hier und da den Abstrich eines Buchstabens verstärkte oder den losen Kreidestaub vom Regenbogen pustete oder den Umriss der Hammelkeule abdunkelte. Obwohl er all dies mit größtem Selbstvertrauen machte, machte er es (schien mir) auf höchst ignorante Weise und verhunzte alles, was er berührte, so sehr, dass ich mich, als er sich an den violetten Rauch aus der Kate des Pächters bei der goldenen Ernte machte (und dieser Rauch sah wunderbar weich aus), laut vor mich hinsagen hörte, ohne überhaupt darüber nachzudenken: »Davon lass aber die Finger, hörst du?«
    »Na, erlauben Sie mal!«, sagte ein Mann neben mir in der Menge und stieß mich grob mit dem Ellbogen an, »warum haben Sie kein Telegramm geschickt? Hätten wir gewusst, dass Sie kommen, hätten wir versucht, Ihnen etwas Besseres zu bieten. Sie verstehen wohl die Arbeit des Mannes besser als er selbst, was? Haben Sie schon Ihr Testament gemacht? Sie sind ja wirklich zu schlau, um am Leben zu bleiben.«
    »Gehen Sie mit dem Herrn nicht zu streng ins Gericht, Sir«, meinte der Mann, der bei den Kunstwerken weilte, mit einem Augenzwinkern, als er mich ansah. »Er ist ja vielleicht selbst Künstler. Wenn das stimmt, Sir, dann bringt er sicher Verständnis für mich auf, Sir, wenn ich« – und dabei ließ er den Worten Taten folgen und klatschte nach jederVeränderung forsch in die Hände, während er sich die ganze Zeit über auf seiner Komposition hin und her bewegte –, »wenn ich den Schmelz meiner Trauben etwas heller mache – das Orange meines Regenbogens ein wenig abdunkle – den i-Punkt auf meine Britannia setze – einen kleinen gelben Schimmer auf meine Gurke werfe – eine weitere Fettader in meine Hammelschulter einfüge – einen weiteren Zick-Zack-Blitz auf mein Schiff in Seenot schleudere!«
    Er schien dies so ordentlich zu tun und bewegte sich dabei so geschmeidig, dass die Halfpennies nur so herabregneten.
    »Vielen Dank, mein großzügiges Publikum, danke!«, rief der Professor. »Sie werden mich zu weiteren

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