Der schwarze Schwan von Scheckenstein
Eßsaals zusammen. Zwar fehlte außer Stephan auch Ottokar, doch dafür war Strehlau dabei.
„Haben die’s wieder wichtig!“ meinte der kleine Kuno.
„Quatsch. Die kratzen sich genauso wie wir“, antwortete Wolf.
„Ich hab mir ja gleich gedacht, daß das Zeug nicht hilft.
„Ich wollte nur nicht unken“, bekannte Beni. Miesmachen war auf der Burg verpönt.
„Zuerst kühlt’s ganz schön“, bestätigte Werner. „Nachher juckt’s wieder wie vorher.“
„Unser rasender Lateinlehrer wird schon das Richtige mitbringen, wenn er die Analyse vom Wasser hat“, meinte Eugen.
Wasserwart Pummel schüttelte todernst den Kopf. „Analyse hilft da nichts. Der See hat einen Schock. Drüben ist die Horn reingefallen, und jetzt kippt er um.“
„Besser so“, rief Meisterschwimmer Emil in das Gelächter. „War die Böcklmeier reingefallen, wären wir in der Flutwelle ertrunken.“ Fräulein Böcklmeier, die dickste Lehrerin auf Rosenfels, wurde von den Rittern hoch geschätzt. Sie machte jeden Spaß mit, nahm nichts übel und spielte ausgezeichnet Klavier. Gelegentlich auch vierhändig mit Strehlau.
Der Musterschüler hatte gerade am anderen Ende des Eßsaals für Gelächter gesorgt. Vom Sportplatz weg war er von Jean, dem gräflichen Diener, der eigentlich Hans hieß, zu Mauersäge gerufen worden. Frisch über den neusten Stand der Dinge in Sachen Bürgerversammlung unterrichtet, ahmte er Mauersäge nach und schaltete entsprechend oft. Ks!
„Superplusultra!“ Dampfwalze kratzte sich vor Freude über die Kunde, daß der Burgherr schon bei Bürgermeister Kress gewesen war.
„Mauersäge hat es sehr listig angefangen“, fuhr Strehlau fort. „Er hat gesagt, die Idee sei von ihm selber. Darauf war Kress sofort dafür. Er will alles organisieren.“
Witzbold Klaus kratzte sich besonders auffällig. „Höchste Zeit, daß der Kappellsee unter Naturschutz kommt!“
Der Musterschüler sah sich um. „Wo ist eigentlich Ottokar?“
„Zum Tee bei Waldmann“, antwortete Mücke. „Sonja ist da.«
Daß auch Stephan dort sein würde, brauchte er nicht zu erwähnen. Wenn Sonja Waldmann ihren Vater um die Teestunde besuchte, brachte sie meist einen selbstgebackenen Kuchen mit und lud die beiden Ritter ein. Das war längst Tradition.
Mampfend saßen Stephan und Ottokar im Zimmer des Lehrers und hörten, bei gelegentlichem Nicken, Sonja zu. Für Zwischenfragen hatten sie den Mund buchstäblich zu voll. Der gedeckte Apfelkuchen mit Marzipan durfte nicht durch Satzbildungen entweiht werden. Auch wenn es dabei um Schreckenstein ging.
Sonja berichtete nämlich gerade, wie Fräulein Dr. Horn den nächtlichen Besuch der Minis aufgenommen hatte.
„Also das war in der Lehrerkonferenz. Bea hatte mich gebeten, es ihr schonend beizubringen, eh sie’s auf anderem Weg erfährt. Zuerst hat sie ihren… ihren Vogelblick aufgesetzt, wie ihr das nennt. Als ich dann fortfuhr, daß die Mädchen die Minis offenbar gehört haben mußten, denn sie hätten sie schon am Tor überwältigt, in ihren Kahn gepackt und auf den See hinausgeschleppt, war sie plötzlich quietschmunter und fand das einfach ,klassisch’ – ihr neuer Ausdruck. Bei uns ist zur Zeit alles klassisch. Sogar moderne Musik.“
„Superplusultra“, antwortete Dr. Waldmann mit der jüngsten Wortschöpfung auf Schreckenstein.
Sonja wandte sich an Ottokar. „Damit ich’s nicht vergesse: Ich soll dich von Sophie grüßen!“
Stephan stoppte die Kaumuskeln. Doch er wartete vergebens. Grüße von Beatrix blieben aus. Seinem Freund war die Enttäuschung nicht entgangen. Er sah ihn von der Seite an, kratzte sich dann und futterte weiter.
Achtlos schluckte Stephan die Köstlichkeiten in seinem Mund hinunter und lenkte ab, indem er Dr. Waldmann bat, von dem verseuchten Seewasser zu erzählen. Dabei beobachtete er Sonja genau. Ihren Reaktionen nach hatte Beatrix nichts von dem Besuch bei ihm verlauten lassen. Obwohl sie schon sauer auf ihn war. Auf Beatrix konnte man sich sogar im Zorn verlassen.
„Schade!“ sagte Sonja. „Zusammen mit den Wasserproben hätte Dr. Schüler auch Bächles Parfüm zur Untersuchung mitnehmen können! Ich dachte zuerst, euer Juckreiz kam davon.“
Das Gespräch blieb beim Thema Chemie und deren schwer zu kontrollierenden Folgen. Stephan beteiligte sich nicht. Er hatte nur noch einen Gedanken: Ich muß Sonja einen Moment allein erwischen!
An der Tür – die beiden hatten sich schon bedankt und verabschiedet – ergab sich die
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