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Der schwarze Schwan von Scheckenstein

Der schwarze Schwan von Scheckenstein

Titel: Der schwarze Schwan von Scheckenstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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hatte seinen Grund. Dr. Voss galt als der beste Diagnostiker weit und breit, ein Landarzt, der schon den merkwürdigsten Leiden auf die Schliche gekommen war. Vielleicht deswegen.
    Von Walter lieh sich Stephan die Sonnenbrille und zog, wegen des Windes, ein dickeres Hemd an.
    „Mach’s gut, Versuchskaninchen!“ Ottokar klemmte sich Bücher und Hefte unter den Arm. „Falls du mit Rosenfels telefonierst, bestell Sophie einen schönen Gruß von mir.“
    Die Zimmertür fiel ins Schloß. Stephan war allein. Er schüttelte den Kopf. Konnte sein Freund Gedankenlesen? Gerade hatte er überlegt, ob er von Pippling aus im Mädcheninternat anrufen oder, falls er gleich drankam und es nicht zu lang dauerte, über Rosenfels zurückfahren sollte. Pippling lag leider genau in der entgegengesetzten Richtung.
    Wie still es war in der Burg…Erst auf der Freitreppe hörte Stephan aus den Klassenzimmern die Stimmen der Lehrer. Es klang wie ein Kanon. In der Tordurchfahrt schaute er zur Lehrergarage hinüber. Hier hatte er Beatrix erwischt.
    Nein, ich ruf nicht an! dachte er. Sonst reden wir wieder aneinander vorbei!
    Mit wuchtigen Pedaltritten strampelte er die Steigung zu Drei Tannen hinauf und bog in das schmale Sträßchen nach Pippling ab. Er mußte sich kratzen. Dabei kam ihm ein ganz dummer Gedanke: Dr. Schüler, Jahrzehnte zurück, in Stephans Alter, geht noch zur Schule… Wie heißt du? fragt der Lehrer. – Schüler. – Das bist du! sagt der Lehrer. Ich hab dich aber gefragt, wie du heißt. – Schüler. – Laß den Unfug! sagt der Lehrer. Dann wärst du ja der Schüler Schüler. – Das ist kein Unfug! antwortete der Schüler Schüler. Sie könnten ja auch der Lehrer Lehrer sein, sie müßten nur so heißen.
    Der Rex könnte auch Rex heißen! fiel ihm noch ein. Komisch, wie man auf so was kommt?
    Offenbar hatte der Rex mordsmäßig Wind gemacht, denn Dr. Voss nahm den Schüler Stephan sofort dran. Er war ein kleiner, pfiffiger Mann mit dichtem, grauem Haar und listigen Augen. Stephan mußte die Geschichte erzählen, wie es zu dem Juckreiz gekommen war, und sich dann ausziehen. Dr. Voss fuhr mit einer Lupe auf ihm herum, wie auf einer Landkarte.
    „Sehr gut!“ sagte er. „Die Haut ist noch da. Ich gebe dir ein Antiallergikum. Das ist wie Gelee und farblos. Damit reibst du die juckenden Stellen ein. Hilft es dir, sollen’s alle versuchen. Juckt es trotzdem weiter, müßt ihr den Kappellsee ins Labor bringen, damit wir wissen, was da drin ist.“
    Das Zeug aus der Tube kühlte angenehm; die Tropfen, die ihm der Doktor in die Augen träufelte, halfen sofort. Das Blinzeln hörte auf.
    „Na, siehst du!“ sagte Dr. Voss. „Ich hab meinen Beruf nicht ganz umsonst gelernt. Und jetzt raus mit dir!“
    Zum Mittagessen würde man ihn zurückerwarten, überlegte Stephan. Da blieb noch viel Zeit. Genug jedenfalls, um auf Rosenfels vorbeizufahren. Sinnvoll war das aber nicht. Sollte er? Drüben hatten sie um diese Zeit Unterricht, und auf der Burg würden sie ihn wieder anstarren und Fragen stellen: Ob es denn so lang gedauert habe? So weit sei der Weg doch nicht, und das bißchen Jucken sei sicher rasch behoben gewesen. Oder habe er noch einen Abstecher nach Rosenfels machen müssen? Zum Flüstern…
    Nein! Er war kein Versuchskaninchen für blöde Witze!
    Stephan fuhr direkt zurück. Bei Drei Tannen wartete er, bis die große Pause vorbei sein mußte. Nur kein Gedränge um ihn! Kurz nach Beginn der Mathematikstunde betrat er das Klassenzimmer.
    „Gut, daß du da bist!“ empfing ihn Schießbude. „Da mußt du nicht so viel nacharbeiten. Alles in Ordnung?“
    „Hoffentlich!“ Stephan zog die Schultern hoch.
    Unter Ritterblicken setzte er sich auf seinen Platz und lauschte den Ausführungen von Schießbude, die tatsächlich alle Aufmerksamkeit erforderten.
    Während der fünf Minuten Pause bis zur nächsten Stunde verteilte er Salbe.
    „Kühlt beachtlich!“ freute sich Pummel.
    „Superplusultra!“ lobte sogar Dampfwalze. „Wenn ich jetzt Frostbeulen krieg, bist du schuld!“
    Der Rex kam dazu und wußte schon Bescheid. „Nach dem Essen fährt Dr. Schüler nach Neustadt. Er nimmt Wasserproben mit und bringt noch ein paar Tuben Salbe aus der Apotheke.“
    Diesmal wurde im Eßsaal weniger gekratzt. Oder lag es an der schmackhaften Ablenkung? Es gab nämlich Ufos in Kumulus, wie Frikadellen mit Kartoffelbrei neuerdings hießen.
    In der Teepause nach dem Sport hockte der Ritterrat wieder in der hintersten Ecke des

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