Der schwarze Thron - Reiter reiter3
wäre. Eine Verbeugung hätte sie aus dem Gleichgewicht bringen können, und dann wäre sie die Treppe hinuntergefallen. Vielleicht würden Braymer oder Yates sie auffangen. Am Ende hielt sie es für das Beste, ein solches Schauspiel zu vermeiden, und sie vollzog einen Kompromiss zwischen einem Knicks und einer Verbeugung.
»Und ich zu Euren«, erwiderte sie.
Dann nahm er ihre behandschuhte Hand und küsste sie, und ganz plötzlich überfiel sie die Vorstellung, eine Prinzessin zu sein, und er war ihr Prinz. Selbst die Leute direkt neben ihnen verbeugten sich oder knicksten.
Verbeugen? Knicksen? Sie sah sich erschrocken um und musste entdecken, dass König Zacharias und Lady Estora, flankiert von ernst dreinschauenden Waffen in Schwarz, ebenfalls auf die oberste Stufe gekommen waren.
Etwas in ihr welkte. Es wurde ringsumher unbehaglich still, wenn man von einem einzelnen Hufkratzen in der Einfahrt und dem leisen Scharren von Füßen einmal absah. Scheinbar eine Ewigkeit blieb es so, bis Karigan sich genügend gefasst hatte, um vor ihrem König zu knicksen.
Dem Mann, der ihr gesagt hatte, dass er sie liebte.
Braymer, der immer noch ihre Hand hielt, ließ sich auf ein Knie nieder, sobald er erkannte, dass er sich vor dem Hochkönig von Sacoridien befand.
Karigan konnte kaum etwas anderes sehen als König Zacharias und seine Herbstfarben, als die Sonne den Reif aufblitzen ließ, den er im rötlichbraunen Haar trug. Sie starrten
einander an, als wären sie vollkommen verblüfft über das Tageslicht.
Es war Lady Estora, die schließlich das Schweigen brach. »Karigan!« Sie kam auf die Reiterin zu – ohne ein Problem beim Gehen, wie Karigan bemerkte – und klatschte in die Hände. »Dein Kleid! Und wie du aussiehst! Wunderschön!«
Karigan brauchte einen Moment, um ihren Blick vom König loszureißen und Estora mehr als flüchtige Aufmerksamkeit zu gönnen, und sie hätte beinahe geschnaubt, denn Estora mit ihrem goldblonden Haar war strahlend schön wie immer, die schönste Frau von Sacoridien. Im Vergleich dazu sah Karigan gewiss aus wie ein Bauernkind in Lumpen.
»Karigan?«, fragte der König ungläubig. »Ich meine, Reiter G’ladheon?«
Karigans Wangen und der Hals glühten, und selbst auf dem entblößten Teil ihrer Brust hatte sie wahrscheinlich rote Flecke.
Der König räusperte sich. »Ich – ich wusste nicht, dass Ihr heute Abend an Lord Meeres Gartenparty teilnehmen würdet. «
Karigan zog leicht an Braymers Hand, damit er aufstehen würde. »Das tun wir auch nicht, Sire.« Sie warf einen bedeutungsvollen Blick zu Braymer.
Der König zog die Brauen verwirrt zusammen und strich sich über den Bart.
Yates, der spürte, dass etwas hier nicht in Ordnung war, aber nicht wusste, worum es ging, mischte sich ein. »Entschuldigt, Euer Hoheit, aber keine dieser Kutschen wird sich bewegen können, wenn wir Meister Coyles Kutsche nicht von hier wegbringen.«
Das stimmte nicht unbedingt, aber Karigan war froh über die Hilfe.
Der König, der wirkte, als hätte ihn der Anblick von Karigan in etwas anderem als Grün so gut wie gelähmt, machte eine schwächliche Geste. »Selbstverständlich. Geht nur.«
Mit einer weiteren Verbeugung führte Braymer Karigan die Treppe hinunter und zu seiner wartenden Kutsche, und der ältere Herr, sein Diener, folgte ihnen auf dem Fuß. Karigan war angesichts der Zuschauer schon erleichtert, dass sie in diesen blöden Schuhen nicht allzu heftig gewackelt hatte oder gar hingefallen war. Der Kutscher und Braymer machten das Einsteigen für sie so mühelos wie möglich.
Als alle saßen, berührte der Kutscher den Rücken des Gespanns mit den Zügeln, und die Pferde trabten sofort los. Karigan warf noch einen letzten Blick auf den König, der sie von der obersten Treppe her beobachtete. Er fragte sich wohl, wieso sie so gekleidet war, wohin sie ging und wer der junge Mann war, der sie begleitete.
Gut, dachte sie, nicht ohne ein gewisses Maß an boshafter Zufriedenheit.
Die Fahrt erwies sich als eher steif, weil Styles, Braymers Kammerdiener, Karigan strengstens beäugte. Er fragte nach Karigans Anstandsdame, denn die junge Dame wurde doch zweifellos von einer begleitet, und als sie ihn informierte, dass sie keine hatte, grunzte er missbilligend und sagte in schnellem Rhovanisch etwas zu Braymer. Braymers Erwiderung war barsch.
Karigan beherrschte nicht viel Rhovanisch, aber sie hatte verstanden, worum es bei diesem Austausch ging. Rhovani war erheblich konservativer in
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