Der schwarze Thron - Reiter reiter3
Bezug auf seine Ideen und Bräuche und den Platz einer Frau als Sacoridien. Die Frauen arbeiteten vielleicht auf den Feldern, brachten endlos Kinder zur Welt oder kümmerten sich um Land und Haushalt eines Mannes, während er irgendwo anders »Geschäften« nachging;
aber nur äußerst selten waren Frauen selbst Inhaber eines Geschäfts, und ganz sicher dienten sie dem König nicht in Uniform, wie es Karigan tat. Frauen mit Schwertern wurden für unanständig gehalten; wenn eine von ihnen diesbezügliche Absichten äußerte, betrachtete man sie als geisteskrank und behandelte sie auch so.
Rhovani tolerierte, dass Frauen in Sacoridien eine wichtigere Rolle spielten. Es blieb dem Land auch nichts anderes übrig, wenn es zu seinem Nachbarn politische und Handelsbeziehungen unterhalten wollte. Rhovani kannte auch die Geschichte von Sacoridien: Frauen und sogar Kinder hatten im Langen Krieg zu den Waffen gegriffen, um das dezimierte Land vor den Legionen von Mornhavon dem Schwarzen zu verteidigen, nachdem so viele Männer auf dem Schlachtfeld umgekommen waren. Das hatte die Position der Frauen neu bestimmt, aber obwohl diese sich nun entscheiden konnten, ob sie in der traditionellen Rolle verharren, Geschäfte abschließen oder der Monarchie dienen wollten, trug nur eine Minderheit von ihnen Schwerter.
Rhovaner waren höflich, was diese Dinge in Sacoridien anging, aber das bedeutete nicht, dass sie ihnen gefielen oder sie sie billigten. Styles tat das eindeutig nicht, und Karigan war sicher, dass die Abwesenheit einer Anstandsdame sie in seinen Augen sofort unter die »leichten Mädchen« einreihte, wie es dem rhovanischen Standpunkt entsprach. Sie fragte sich, was Styles wohl denken würde, wenn er sie in Uniform sähe, mit ihrem Säbel an der Seite. Das Bild, das sie bei diesen Überlegungen vor sich sah, ließ sie lächeln, und sie kam zu dem Schluss, dass dies ein interessanter Nachmittag werden könnte.
Die Kutsche rumpelte über das Kopfsteinpflaster der Hauptstraße von Sacor, des Gewundenen Wegs, auf die Greifenstraße,
in das Künstlerviertel der Stadt. Hier gingen Buchbinder und Juweliere ihrer Tätigkeit nach, und Bildhauer und Maler zeigten ihre Arbeiten in der Hoffnung, damit die Aufmerksamkeit reicher Gönner zu erregen. Musik wehte aus einem offenen Fenster in einem oberen Stockwerk auf die Straße darunter. Es war gute Harfenmusik, die Musik des Himmels, gefolgt von dem Klirren von Saiten und einem Jammern.
»Das ist nichts als Mist! Alles, was ich komponiere! Nichts als Mist!«
Karigan verzog angesichts der Qual des Harfners mitleidig das Gesicht. Sie hatte die Musik schön gefunden.
Die Greifenstraße war voll mit Buchhandlungen und den Werkstätten von Instrumentenbauern, Schneidern, Webern und Töpfern; es gab Schänken, Tabakläden und hin und wieder auch einen Wahrsager. Die Leute pflegten zu sagen, dass oberhalb der Läden mindestens vierzig Dichter wohnten. Karigan hätte das nicht bestätigen können, denn sie verfolgte nicht, was an Poesie gerade angesagt war.
Ein Mann lehnte im Eingang seiner Musikalienhandlung und intonierte für die Passanten eine verspielte Melodie auf der Flöte, während zwei Männer neben ihm Philosophie diskutierten.
Die Düfte von gut gewürztem Essen wehten aus winzigen Restaurants auf die Straße und mischten sich miteinander. In der Stadt lebten nun immer mehr Leute aus den unteren Königreichen, die den musikalischen Klang ihrer Sprache und den Duft ihrer exotischen Speisen mitgebracht hatten.
Die Pferde tänzelten um einen vollkommen in sich versunkenen Mann herum, der die Straße mit der Nase in einem Buch überquerte. Ein Mann und eine Frau, die bunt gekleidet und angemalt waren, jonglierten mit Ringen und Bällen vor einem Publikum aus Kindern und deren Eltern.
Die Farben, Gerüche und Klänge der Greifenstraße waren belebend für jemanden, der viel zu viel Zeit auf dem Burggelände verbracht hatte. Mara hatte recht: Es war gut, herauszukommen und etwas anderes zu sehen. Wenn es Mara wieder gut genug ging, würde Karigan sie hierher in die Greifenstraße bringen und vielleicht auch in andere Stadtteile. Es gab so viel zu sehen, aber sie schien nie Zeit dazu zu haben. Bis heute.
Unterwegs sprach Braymer nur wenig. Vielleicht war er schüchtern, oder vielleicht gab er sich einfach damit zufrieden, sich die Umgebung anzusehen, denn er schaute von einer Seite zur anderen, als die Kutsche die Straße entlangfuhr. Karigan nahm an, wenn sie sich mehr als
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