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Der Schwur der Königin

Der Schwur der Königin

Titel: Der Schwur der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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korpulente Frau, die hinter ihm auf einem wunderschönen Araberpferd saß, hob die mit Kohle geschminkten Lider und starrte mich hasserfüllt an. Ich hatte meine Töchter bei mir, sie alle in neuen, scharlachroten Brokat gekleidet und nach maurischer Tradition verschleiert, auch wenn Juana, von dem Geschehen um uns herum verzaubert, ihren Schleier bereits gelüftet hatte, um besser sehen zu können. Als ich den Blick der Frau erwiderte, brauchte mir niemand zu sagen, dass das die Sultanin war, Boabdils Mutter, die für die Freiheit ihres Sohnes gekämpft hatte. In ihren Augen entdeckte ich einen Stolz, der nichts anderes mehr hatte, um sich daraus zu speisen, außer sich selbst. Und plötzlich stand ohne jeden Zweifel für mich fest, dass sie es war, die damals den Attentäter zu mir in mein Zelt geschickt und den Dolch höchstpersönlich in Gift getaucht hatte.
    Als sie mit ihrem Sohn davonritt, warf sie einen letzten Blick über die Schulter. Er drückte keine Verzweiflung aus, keine Reue – nur wütendes Bedauern, dass ich dort triumphiert hatte, wo sie gescheitert war.
    Wir erklommen die Straße zur Alhambra. Je näher wir dem so sagenumwobenen wie berüchtigten Palast kamen, desto weiter beugte ich mich in meinem Sattel vor. Am liebsten hätte ich meinem Pferd die Sporen gegeben und wäre im Galopp zu dem massiven zinnoberroten Tor geprescht. Aber jetzt war ich Königin, keine ungestüme, junge Infantin wie Juana. In meinem mittleren Alter war ich dick geworden – wie auch mein geliebter Canela, den ich wegen seines fortgeschrittenen Alters schon vor Jahren aus dem Dienst genommen hatte. Heute jedoch, zur Feier des Tages, ritt ich ihn voller Stolz, während sich die mit Goldfäden durchwirkte Schabracke, die ihn bedeckte, im Wind blähte. Zwar besaß er nicht mehr die Muskeln und die Schnelligkeit seiner Jugend, doch er reckte seinen grau gefleckten Kopf hoch in die Luft und hatte einen agilen Schritt, als verstünde er, wie bedeutend dieser Anlass war.
    Der Palast tauchte vor uns auf. So schroff, wie er auf seinem Plateau thronte, schienen seine honigfarbenen Mauern uns zu tadeln. Dieselben Architekten, die dieses Bauwerk errichtet hatten, waren auch am Alkazar von Sevilla tätig gewesen. Befohlen hatte ihnen das einer meiner Vorfahren, der sich an die arabische Sitte hielt, dass Herrscher nicht mit ihrem Reichtum prunken durften, um keinen Neid zu erregen. Ich wusste allerdings schon, dass hinter den Mauern eine eigene Welt voll unvergleichlicher Schönheit lag – Gemächer aus Alabaster mit steinernen Ziergiebeln und Torbögen, die mit Spitzenborten behängt wurden; Innenhöfe und Arkaden, eingefasst von Säulen, so anmutig wie Tänzerinnen; mit Lilien geschmückte Teiche, die den Himmel auf eine Weise reflektierten, dass die Marmorwände in blaues Licht getaucht wurden; und Gärten, überreich gefüllt mit Rosen, Lavendel und Jasmin, deren Düfte in Säle strömten, über die sich mit Zedernholz verkleidete Kuppeln wölbten, Säle, deren ausgeklügelte Windfänge für Kühlung sorgten und deren offene, hohe Spitzbogenfenster das Licht einfingen und dämpften.
    All das hatte ich schon vorher gewusst, aber dennoch war nicht einmal ich auf die Erhabenheit dieses Ortes vorbereitet. Überall standen und lagen Diwane und Sitzkissen herum, als wären ihre Benutzer soeben Hals über Kopf geflohen. Und darüber hing wie in stummer Klage der Geruch von Weihrauch.
    Gebannt huschte Juana auf Zehenspitzen durch die Räume, die Hand fest um das Händchen der kleinen Catalina geschlossen. Später würde sie uns Fantasiegeschichten über die dem Tod geweihten Konkubinen erzählen, die von den Türmen herabgesprungen seien, und über verstorbene Kalifen, deren Geister sich in Vorwürfen ergingen. Was mich selbst am meisten beeindruckte, war die Stille in diesen ineinander verschachtelten Räumen, wo sich das Glitzern der Wintersonne in den Keramikwänden spiegelte – eine Stille, die so absolut war, dass mein Herzschlag mir so laut wie das Klappern meiner Absätze auf dem Marmorboden in den Ohren klang.
    In dieser Stille befiel mich der Eindruck, als hätte hier noch nie ein Mensch gelebt. Nach all seinem Ruhm hatte der Maure plötzlich aufgehört zu existieren.
    Draußen wurde unser ramponiertes silbernes Kreuz mit einem Flaschenzug über den Palast gehievt. Kanonen feuerten Salven ab; ihnen folgten die Rufe unseres Herolds: »Granada! Granada für unsere Herrscher, Don Fernando und Doña Isabella!«
    Fernando

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