Der Schwur der Königin
Meilen entfernt von mir in seinem belagerten Königreich, während mir der Moment bevorstand, der über mein ganzes weiteres Leben entscheiden würde. Voll brennender Sehnsucht wünschte ich mir, er wäre jetzt hier. In diesem Augenblick hätten von mir aus die Franzosen ganz Aragón stürmen können, wenn das bedeutet hätte, dass mein Gemahl an meiner Seite sein konnte.
Ich hörte die Tür zufallen. Cabrera war gegangen.
Beatriz trat hinter mich. »Hoheit, bitte hört mir zu. Wir können uns keinen Verzug leisten. Wenn wir recht haben, zählt jede Sekunde. Es gibt Menschen, die zu allem bereit sind, nur um Euch vom Thron fernzuhalten. Andrés und Erzbischof Carrillo wollen einen Mann ihres Vertrauens nach Madrid senden, damit er die Entwicklung dort überwacht, aber dazu benötigen sie Euer Einverständnis.«
Eine schiere Ewigkeit lang brachte ich kein Wort hervor. Als es mir schließlich gelang, war meine Stimme ruhig. »Tut, was immer erforderlich ist.«
Drei Tage später, am Abend des 12. Dezember, meldete uns unser Spion nach einem gefährlichen Ritt, bei dem er zwei Pferde bis zur Erschöpfung angetrieben hatte, dass König Enrique IV. verstorben war.
D ritter T eil
Das zweischneidige Schwert
1474–1480
22
Nach nur wenigen Stunden Schlaf erwachte ich noch vor der Morgendämmerung. Ich legte mir meinen mit Marderfell gefütterten Umhang über die Schultern, mit dem ich auch das frisch gewaschene, zu einem Zopf geflochtene Haar bedeckte, und ging zum Fenster. Ich musste die vereisten Scheiben mit den Händen freireiben, um einen Blick auf die zarte Morgenröte über dem Hauptturm zu erhaschen. Ich war wie verzaubert. Das Licht wirkte so durchlässig und flirrte so intensiv, als leuchtete es aus dem Inneren einer perfekten Perle.
Ein herrlicher Tag kündigt sich an, dachte ich, als ich die Schlafkammertür aufgehen hörte. Ich drehte mich um und sah Beatriz und Inés. Mit den Bestandteilen meiner Robe und einer Truhe in den Händen, traten sie auf mich zu.
»Habt Ihr geschlafen?«, erkundigte sich Inés, während sie meine Sachen sorgfältig vor mir ausbreiteten: die mit meinem Lieblingspelz aus Hermelin besetzte azurblaue Samtrobe, den Unterrock aus Satin, den Überwurf mit den goldenen Streifen und das mit Perlen und Gold durchwirkte Kopftuch, das wir in den freien Stunden zwischen den Ritualen für Enriques Bestattung und den Maßnahmen zur Vorbereitung meiner Thronbesteigung genäht und bestickt hatten.
»Ich habe kein Auge zugemacht.« Ich näherte mich der Truhe, die Beatriz auf meinen Tisch gestellt hatte. Sie sperrte das Schloss auf und hob den geschnitzten Deckel an. Zum Vorschein kamen Perlenbänder, glitzernde Rubine, strahlende Diamanten und atemberaubende Saphire in allen nur vorstellbaren Farbtönen.
Ich betrachtete sie mit zugeschnürter Kehle – diese bewunderten Symbole des Ansehens der Krone, die von Berenguela de León bis hin zur berüchtigten Urraca so viele kastilische Königinnen geschmückt hatten.
»Alles ist wieder da«, sagte Beatriz. »Andrés hat dafür gesorgt, dass Juana nicht so leicht davonkommt. Er hat sogar Beamte in ihr Kloster geschickt, damit sie alles zurückholen, was sie bei ihrer ersten Flucht vom Hof gestohlen haben könnte. Sie hatte nicht viel.«
Ich griff nach einem Smaragdarmband mit raffinierten Goldgliedern im maurischen Stil, das ich einmal an ihrem Handgelenk gesehen hatte. Hatte Cabrera es konfisziert, während sie in ihrer Isolation hinter den heiligen Mauern, aus der sie nur noch der Tod befreien konnte, zeterte und tobte? »Ich könnte mir vorstellen, dass sie über diese Wendung der Ereignisse nicht glücklich ist«, sinnierte ich.
»Sie ist … still. Sie fleht um Gnade für ihre Tochter.« Beatriz beobachtete mich dabei, wie ich das Armband anlegte. Es war unerwartet schwer. Seine rechteckig geschnittenen, grünen Steine schimmerten auf meiner Haut. »Was werdet Ihr unternehmen? Fürs Erste bleibt die Beltraneja bei den Mendozas unter Verwahrung, aber ihre Mutter behauptet weiter steif und fest, sie sei von Enrique, und das Kind selbst glaubt das auch. Irgendwann werdet Ihr Euch mit ihr befassen müssen.«
»Ja«, murmelte ich zerstreut, verzaubert vom Glanz der Smaragde, »das werde ich auch. Aber nicht heute.«
»Natürlich nicht«, mischte sich Inés ein. »Heute ist Eure Krönung. Heute wird Eure Hoheit …«
»Majestad!« , fiel ihr Beatriz ins Wort. »Denk daran: Sie ist jetzt Königin.«
Inés errötete. »Oh, das hatte ich
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