Der Schwur der Königin
allem aber fehlte mir Fernando. Während ich nun auf dem Podest saß und beobachtete, wie mein Halbbruder mit seinem neuen Freund die Liebe zu einer Farce geraten ließ, konnte ich förmlich spüren, wie mich die Hände meines Mannes berührten, unter meine Röcke glitten und wir lachend zurück aufs Bett fielen. Begehren stieg in mir auf, und ich musste die Fingernägel mit aller Kraft in die Handflächen bohren, um mich daran zu erinnern, dass jetzt nicht die Zeit war, mich von meiner Leidenschaft überwältigen zu lassen.
Am Abend danach war ich so bekümmert, dass ich verkündete, ich würde auf der Stelle meine Sachen packen und Segovia verlassen. Erst Beatriz vermochte, mich davon abzubringen, als sie mir das Versprechen abluchste, bis zum Fest der Heiligen Drei Könige zu bleiben.
»Ihr müsst unbedingt Euren Status sichern«, ermahnte sie mich. »Denkt daran, dass Ihr das alles nicht deshalb erreicht habt, um es aus Groll wieder zu verlieren.«
So ungern ich das hörte, sie hatte recht. Ich hatte wirklich nicht all die Jahre um mein Recht gekämpft, mich Erbin Kastiliens zu nennen, den Mann meiner Wahl zu heiraten und so zu leben, wie ich es für richtig hielt, nur um jetzt auf einmal klein beizugeben und zu fliehen, weil ich Heimweh hatte. Doch langsam begann mein Mitleid mit Enrique, mir sauer aufzustoßen – bis ich mir gefühllos vorkam und öfter in der Kapelle kniete, als mir lieb sein konnte. Ich wusste, dass er meine Anteilnahme verdiente; schließlich trauerte er um Villena und suchte – wie so viele von uns – am falschen Ort Trost. Andererseits konnte ich den Gedanken einfach nicht ertragen, dass schon wieder ein Günstling auftauchte, um mir das Leben schwer zu machen, einer, der das Verrätertum seines Vaters im Blut trug. Ebenso wenig konnte ich verstehen, warum ein König, der wegen seiner Nachsicht so sehr gelitten hatte, so wenig Lehren daraus zog.
Der Dezember brauste mit eisigem Wind und Schnee heran und deckte den Alkazar mit einer eisigen Hülle zu. Während die Höflinge unter von den Deckenbalken herabhängenden Seidenbannern tanzten, verfolgte ich die Geschehnisse mit einem bemühten Lächeln, ohne mit Worten oder Gesten mein wachsendes Entsetzen zu verraten, als ich sah, wie Enrique sich in einem durchsichtigen Zelt auf einem gesteppten Diwan lümmelte, bei ihm auf einem Kissen der junge Diego Villena, der ihm Stücke gewürzten Rebhuhns aus den Fingern aß. Ich sah, dass alle Augen darauf gerichtet waren, sah, wie Carrillo angewidert den Mund verzog, und fragte mich, wie lange es noch dauern würde, bis der Vulkan ausbrach und irgendeiner der Granden verkündete, dass er dieses würdelose Verhalten satthabe, und aus Neid, Stolz oder Entrüstung sein Schwert zückte, so wie Villena das einmal vor Jahren getan hatte.
Dann, als Enrique eines verhängnisvollen Abends nach dem Essen wieder einmal das Zechgelage eröffnete und ich mich zum Gehen anschickte, breitete sich jäh Stille aus. Ich fing Beatriz’ erstaunten Blick auf, als auch schon ihr Mann, Cabrera, über das Parkett zu dem pavillonartigen Gebilde stürzte, das Enrique sich in seinem Alkoven errichtet hatte.
Der König lag zusammengekrümmt auf seinen Kissen. Diego Villena klopfte ihm besorgt auf den Rücken, als hätte Enrique sich verschluckt. Einzig Cabrera erkannte den Ernst der Situation. Während ich meine Röcke raffte, um das Parkett schneller überqueren zu können, und die Höflinge einer nach dem anderen zurückwichen, sah ich Carrillo allein vor einer Anrichte stehen, einen Kelch in der Hand, auf dem breiten, verwitterten Gesicht einen nachdenklichen Ausdruck.
Enrique keuchte und zuckte am ganzen Körper. Fieberhaft stellte Cabrera Fragen. »Was hat er gegessen? Wo ist der Teller?« Als ich schon ganz nahe war, hob Enrique sein gespenstisch weißes Gesicht und flüsterte: »Warum jetzt? Warum, wo ich dir doch alles früh genug übergeben wollte?« Sein Gesicht verzerrte sich, er stöhnte gequält, aus dem Mund sickerte blutiger Schaum. Dann kippte er nach vorn auf den Boden und landete irgendwie auf den Knien. »Das tut so weh! Hilf mir, lieber Gott!«
Ich wollte mich gerade über ihn beugen, als der junge Villena mich zur Seite stieß. »Rührt ihn nicht an!«, zischte er. »Das wart Ihr! Ihr habt das getan, damit Ihr ihm den Thron stehlen könnt.« Er fiel auf die Knie und nahm den zuckenden König in die Arme.
Bestürzt über seine Beschuldigung, setzte ich zu einem Protest an. Doch bevor ich ein
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