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Der Schwur der Königin

Der Schwur der Königin

Titel: Der Schwur der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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vergessen. Bitte vergebt mir, Eure Majestät.« Verlegen blickte sie mich an. Ich fixierte sie streng, bis das Lächeln, das ich mühsam verborgen hatte, schließlich doch meine Lippen erreichte. Hinter mir brach Beatriz in Lachen aus.
    Inés stampfte empört auf. »Das war nicht nett! Ich habe schon geglaubt, ich hätte Euch beleidigt!«
    Ich ergriff ihre Hand. »Vergib mir. Mir ist es egal, wie ihr mich in den Privatgemächern ansprecht.« Lächelnd streckte ich Beatriz die andere Hand entgegen. »Ich kann das alles immer noch nicht fassen. Wie kann ich Königin von Kastilien sein?«
    »Ihr seid es aber«, erwiderte Beatriz. »Und wenn Ihr nicht gleich anfangt, Euch anzukleiden, werdet Ihr eine säumige Königin sein.«
    Während sie sich an mir zu schaffen machten, mir mein Hauskleid auszogen und mit der Prozedur begannen, mir Schicht für Schicht meine neue Robe anzulegen, wurde mir bewusst, dass die letzten zwei Tage ein solch heftiger Wirbelwind aus widerstreitenden Emotionen gewesen waren, dass ein Teil meiner selbst sich von dem hektischen Treiben um mich herum gelöst und es von außen als unparteiische Zeugin beobachtet hatte. Zwiespältige Gefühle Enrique gegenüber waren mir nichts Neues. Nicht erst seit seinem Tod waren sie mir bewusst geworden, sondern schon lange davor. In weißer Trauerkleidung hatte ich an den Beisetzungsfeierlichkeiten teilgenommen und gefasst der erschütternden Schilderung des jüngst zum Kardinal beförderten Mendoza von Enriques letzten Stunden gelauscht. In einer eiskalten Kammer im alten Alkazar von Madrid hatte er sich in Todesqualen gewunden, ohne dass sich bis auf seine treuen Mauren jemand um ihn kümmerte. Seine Diener und Vertrauten, darunter auch der charakterlose Diego Villena, hatten ihn im Stich gelassen, sobald feststand, dass er nicht überleben würde. Sie hatten ihm nicht mehr Respekt gezeigt als einem sterbenden Hund, berichtete Mendoza, dem am Ende die Aufgabe zugefallen war, fremde Bestatter für die Präparierung der Leiche zu finden.
    Einem alten Brauch entsprechend, nahm ich nicht an der Beisetzung meines Halbbruders teil. Stattdessen ließ ich in der Kathedrale von Segovia eine Messe singen, während sich der Trauerzug zum Kloster Santa María de Guadalupe wand, wo er zur ewigen Ruhe gelegt wurde. Mitten in den Gebeten für seine Seele hielt ich mir vor, dass von Enrique nicht die Erinnerung an den launenhaften König bleiben sollte, dem ich mit Argwohn und Furcht begegnet war, sondern vielmehr die an den schrulligen, schüchternen Mann, den ich schon so lange kannte und der mir seine Zuneigung gezeigt hatte. Ich konnte nicht aufrichtig sagen, dass er mir fehlen würde, nicht nach allem, was zwischen uns vorgefallen war, doch ich spürte seinen Verlust, und zwar weit mehr als nur am Rande. Das äußerte sich in meiner Einsamkeit, die ich empfand, seit mir bewusst war, dass von uns dreien, die wir das Blut unseres Vaters teilten, nur noch ich übrig war.
    Doch selbst, wenn ich noch tiefer hätte trauern wollen, standen dringende Entscheidungen bevor. Die schwierigste war die Frage, ob ich meine Thronbesteigung sofort verkünden oder damit warten sollte, bis Fernando wieder an meiner Seite war. Carrillo pochte darauf, dass wir keine Zeit zu verlieren hatten. Wie Cabrera glaubte er, dass jede Verzögerung meinen Zugriff auf den Thron schwächen würde. Außerdem hatten wir angesichts der anhaltenden Kämpfe in Aragón keine Gewissheit, dass Fernando so bald kommen würde. Dennoch zögerte ich noch fast einen ganzen Tag, bis ich Gelegenheit hatte, mit Kardinal Mendoza bei dessen Rückkehr von Enriques Bestattung zu sprechen. Ich vertraute dem gemäßigten Geistlichen, der stets zu mir gestanden hatte, ohne dabei seine Treue Enrique gegenüber zu brechen. Schweigend hörte er sich an, was über meine Zweifel aus mir hervorbrach, über meine Angst, ich würde Fernando beleidigen und unserer Ehe schaden, wenn ich mich in seiner Abwesenheit zur Königin ausrief.
    Leise sagte Mendoza: »Ich kann verstehen, wie schwer diese letzten Tage für Euch waren und mit welchen Belastungen Ihr jetzt zu kämpfen habt, aber die einzige Erbin dieses Reichs seid Ihr. Als Euer Gemahl wird Fernando von Aragón den Titel Prinzgemahl erhalten, doch darüber hinaus hat er kein Erbrecht in Kastilien, was er in Eurer Ehevereinbarung mit seiner Unterschrift auch persönlich bestätigt hat. Der Thron, mein Kind, steht allein Euch zu.«
    Ich kniete den Abend in quälender

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