Der Schwur der Königin
tauschte ich nur freundliche Belanglosigkeiten mit ihm aus, bis er mich eines Abends unverblümt fragte: »Habt Ihr überhaupt noch vor, ihn so weit zu bringen, dass er Euch zu seiner Thronfolgerin erklärt, bevor er sich zu Tode trinkt? Wenn nein, dann lasst es mich bitte wissen, damit ich nach Hause reisen kann. Das nämlich ist der einzige Grund, warum ich dieses Treffen zwischen ihm und Euch in die Wege geleitet habe.«
Ich musterte ihn streng. »Soweit ich betroffen bin, hat er sich nie gegen mich ausgesprochen. Joanna la Beltraneja ist als Bastard bezeichnet worden, und die Königin lebt jetzt in einem Kloster. In Guisando wurde ich als seine Erbin vereidigt.« Ich bemerkte seine finstere Miene und fügte hinzu: »Außerdem ist Fernando nicht hier. Ohne meinen Gemahl treffe ich keine Vereinbarungen.«
Sein Lächeln glich dem einer Schlange. »Ach ja. Ich habe gehört, dass Euer Gemahl noch in Aragón ist und sich mit dem Franzosenproblem herumschlägt. Andererseits hat er wohl tatsächlich den von Borgia versprochenen Dispens bekommen. Wie ich annehme, werden wir bald das Vergnügen von Fernandos Gesellschaft haben. So wichtig die Angelegenheiten seines Reiches sind, sein größtes Anliegen sollte doch die Zukunft der Krone Kastiliens sein, nicht wahr?«
Zähneknirschend verkniff ich mir einen Kommentar. Immer noch besaß Carrillo die fast übernatürliche Gabe, Zwietracht zu erschnüffeln, aber ich hatte bestimmt nicht vor, ihm auf die Nase zu binden, dass ich seine Meinung teilte. Erst kürzlich hatte Fernando mir in einem zutiefst verstörenden Brief berichtet, dass sein letzter Triumph über die Franzosen zu einem kurzlebigen Vertrag geführt hatte, den sie gleich wieder gebrochen hatten, sobald er ihnen den Rücken gekehrt hatte. Statt Friedensverhandlungen zu führen, musste er jetzt alle Kräfte darauf verwenden, die aragonischen Gebiete zurückzuerobern, die die Franzosen überfallen hatten. Kurz und gut, er konnte mir nicht sagen, wann genau er zu mir kommen würde. Allerdings warnte er mich davor, bis zu seiner Wiederkehr Vereinbarungen mit Enrique zu treffen oder unsere Angelegenheiten Erzbischof Carrillo anzuvertrauen. Carrillo ist nicht daran gelegen, unsere Interessen zu schützen , schrieb er. Ihm geht es nur darum, sich beim König beliebt zu machen und dich wieder unter seine Knute zu bringen .
Dass er weder Gefühle noch Vertrauen in meine Fähigkeiten zeigte, verärgerte mich. Umgehend antwortete ich ihm, dass ich meine Angelegenheiten bisher ohne das geringste Problem selbst geregelt und es nicht nötig hatte, Carrillo oder sonst jemanden damit zu beauftragen. Gleichwohl bat ich ihn, seine eigenen Angelegenheiten in Aragón so schnell wie möglich zu erledigen, denn er wurde hier gebraucht.
Obwohl ich mich ihm gegenüber verschlossen gab, musste Carrillo mir mein Unbehagen am Gesicht abgelesen haben, denn als ich weiter schwieg, verwandelte sich sein Lächeln in eine wilde Fratze. Jetzt wusste ich, dass er spürte, wie isoliert ich hier war, entfernt von meiner Familie und auf Gedeih und Verderb den bizarren Launen meines Halbbruders ausgeliefert.
Und bizarr waren sie in der Tat. Enriques ausgiebiger Weingenuss – nachdem er sein Leben lang weitgehend Abstinenz geübt hatte – hatte ihn zu einer Witzfigur gemacht. Am späten Abend lallte er nur noch, torkelte mit seinen Mauren und Pagen durch die Reihen der Höflinge und zeigte allzu offen intime Vertraulichkeit mit weit unter seinem Rang stehenden Personen. Aufstrebenden Günstlingen gegenüber legte er Verschwendungssucht an den Tag, indem er sie mit Geschenken überhäufte. Besondere Aufmerksamkeit widmete er dabei Villenas ebenso hübschem wie zügellosem Sohn Diego, der schnell zu einer meiner größten Sorgen wurde, nachdem er den Titel und die Ländereien seines verstorbenen Vaters geerbt hatte. Wenn ich steif auf dem Podest saß und zusah, wie Enrique den jungen Villena herumzeigte wie eine junge Geliebte, fühlte ich mich zurückversetzt in jene schreckliche Zeit, als ich eine gefangene Infantin gewesen war, ohne jede Macht, meine Zukunft selbst zu gestalten.
Ich vermisste mein Zuhause in Aranda, meine Besitztümer, meine Bediensteten. Ich verabscheute die vergoldete Täuschung hier am Hof, das verstohlene Flüstern, die verborgenen Widerhaken in den Blicken und die ständigen Intrigen, die den Alkazar in ein Schlangennest der übelsten Sorte verwandelten. Ich verzehrte mich vor Sehnsucht nach Isabél, meinem Kind. Vor
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