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Der Schwur der Königin

Der Schwur der Königin

Titel: Der Schwur der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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Wort hervorbrachte, schloss sich eine Hand wie ein Schraubstock um meinen Unterarm, und ich hörte Carrillo mir ins Ohr murmeln: »Geht. Jetzt.«
    Enrique stöhnte erneut. Hilflos stand Cabrera über dem König. Ich blickte ihm in die entsetzt aufgerissenen Augen und sagte: »Ihr werdet mich auf dem Laufenden halten.«
    Er nickte. Solange er im Amt war, das wusste ich, würde niemand es wagen, mich offiziell anzuklagen, doch als ich mich zu meinen Gefährtinnen umdrehte, die verstört bei den Höflingen standen, dröhnten mir immer noch die schrecklichen Worte des jungen Villena in den Ohren.
    Sie hielten mich für schuldig.
    Sie glaubten tatsächlich, ich hätte meinen eigenen Bruder vergiftet.
    Stunden später, in denen ich rastlos durch meine Gemächer gestapft war und Beatriz und Inés gebetsmühlenhaft meine Unschuld beteuert hatte, kam Cabrera schließlich zu mir. »Seine Majestät zeigt Anzeichen der Besserung«, meldete er erschöpft. »Er wurde in seine Gemächer gebracht, wo er noch ruhen sollte, aber Villena beharrte darauf, dass er dort nicht bleiben könne. Jetzt sind sie nach Madrid aufgebrochen.«
    Ich starrte ihn fassungslos an. »Aber er ist krank, und Madrid ist fast einen ganzen Tagesritt entfernt, noch dazu über unwegsames Gelände! Sind sie wahnsinnig? Wo ist Carrillo? Wie konnte er das erlauben? Wie konntet Ihr das erlauben?«
    »Eure Hoheit, der König selbst hat befohlen, dass sein Pferd für ihn gesattelt wird. Jeden anderslautenden Rat hat er strikt zurückgewiesen.«
    »Madrid ist ein Teil von Villenas Marquisat«, murmelte ich, an Beatriz gewandt. »Sie werden dort Anhänger gegen mich sammeln. Gott stehe uns bei! Das alles ist Diego Villenas Schuld. Er ist genau wie sein Vater. Er wird jede Gemeinsamkeit vergiften, die Enrique und ich herstellen konnten.«
    Als diese Befürchtungen aus mir heraussprudelten, fiel auch jenes eine Wort, das ich nie hätte aussprechen dürfen. Mein Ausbruch stieß auf betretenes Schweigen. Ich wirbelte zu Cabrera herum. »Hoher Herr, Ihr kennt mich, seit ich als kleines Mädchen hierherkam. Ihr traut mir doch sicher nicht zu, dass ich jemals … dass ich in der Lage wäre …«
    Er schüttelte den Kopf. »Wir alle wissen, dass der junge Villena wie vor ihm sein Vater darauf aus ist, Seine Majestät zu entzücken, egal wie, und dass er Enriques Zuneigung zu Euch fürchtet. Ich würde mich deswegen aber nicht sorgen. Was immer im sala gesagt wurde, kann nicht ernst genommen werden; der König war nicht bei Sinnen. Aber sein Gesundheitszustand ist weiterhin besorgniserregend.«
    Er hielt inne. Ich sah ihn einen resignierten Blick mit Beatriz wechseln, ehe er hinzufügte: »Wir wollten Euch nicht damit behelligen, aber einer der Hauptgründe, warum wir uns so vehement für Eure Versöhnung eingesetzt haben, war, dass Seine Majestät seit Monaten schwer krank ist. Er hat ein Magenleiden, das dem Villenas sehr ähnlich ist. Es verursacht Blut im Auswurf und auch im Stuhl. Er tut sich keinen Gefallen damit, wenn er den Rat der Ärzte ignoriert, dass zu viel Wein, Fleisch, Ausritte zu Pferd und … sonstige Exzesse seinen Zustand verschlimmern können.«
    Erleichterung erfasste mich. Ein Leiden: Enrique war krank. Er war nicht vergiftet worden.
    Plötzlich erstarrte ich. »Soll das heißen …?«
    Cabrera blickte mir in die Augen. »Er könnte in diesem Moment, da wir miteinander sprechen, sterben. Und er ist nicht mehr in Segovia, wo wir über ihn wachen können. Eure Hoheit, wir müssen uns wappnen. Sollte er …«
    Ich gebot ihm mit erhobener Hand zu schweigen. Dann trat ich benommen an den schmalen Fensterschlitz, der auf den Hauptturm führte. Dunkelheit und Schneetreiben trübten mir die Sicht. Und während ich hinausstarrte, sah ich das von Qualen verzerrte Gesicht meines Bruders in jenem schrecklichen Moment vor mir, bevor seine Beine unter ihm einknickten.
    Warum jetzt? Warum, wo ich dir doch alles früh genug übergeben wollte?
    Ich hatte gedacht, er wolle mich anklagen, doch das war ein Irrtum. Er hatte seit Monaten gewusst, dass er todkrank war. Es war nicht nur seine Trauer über Villenas Verlust, die ihn dazu veranlasst hatte, unsere Wiedervereinigung zu betreiben. Im Grunde seines Herzens hatte er gewusst, dass ihm die Zeit davonlief – so wie ich wusste, dass der Tag, den ich vorausgesehen, für den ich gekämpft und gelitten hatte, nahe war. Aber jetzt war ich allein und hatte nur wenige vertraute Freunde um mich. Fernando war Hunderte von

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