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Der Schwur der Königin

Der Schwur der Königin

Titel: Der Schwur der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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Ihrer Majestät. Ich versichere Euch, sie ist eine gottesfürchtige Dienerin der Kirche, die diese Beschuldigungen sehr ernst …«
    »Das sind keine Beschuldigungen!«, kreischte Torquemada. Nie hätte ich seiner vertrockneten Lunge die Fähigkeit zu einer solchen Lautstärke zugetraut. Fernando offenbar auch nicht, denn er prallte zurück. »Das sind Wahrheiten!« Der Mönch reckte die Hand in die Luft, und seine dürren Finger krümmten sich, als geböten sie über unsichtbare Flammen. »Das zu leugnen bedeutet, Christus selbst zu leugnen! Es ist besser, mit einem Auge ins Paradies einzugehen, als mit zweien in der Hölle Qualen zu leiden.«
    Ich warf Fernando einen verstohlenen Blick zu. Mein Gemahl starrte den Mönch von Ehrfurcht ergriffen an. Er hatte seinen eigenen Beichtvater aus Aragón, dem er vertraute, doch ich erkannte auf den ersten Blick, dass Torquemadas Überzeugungskraft eine magnetische Wirkung auf ihn ausübte. Es bestürzte mich zu sehen, welche Macht der Mönch über Fernando gewann, während sie mich überhaupt nicht mehr erreichte. Ich hatte den Glauben an Torquemada verloren.
    Fernando löste sich aus seiner Erstarrung. »Aber wir hatten in unseren Reichen schon immer conversos , und sie haben uns gute Dienste geleistet. Woran können wir erkennen, wer ein Ketzer ist und wer nicht?« Im Sprechen griff er nach meiner Hand, etwas, das er vor der Öffentlichkeit nur selten tat. Ich spürte seine Wärme und den beruhigenden Druck seiner Finger. Er mochte von Torquemadas Ausstrahlung beeindruckt gewesen sein, würde sich jedoch nicht davon beeinflussen lassen. Sein praktisches aragonisches Wesen verlangte unwiderlegbare Beweise, bevor er handelte.
    »Es gibt wahre conversos von rechtem Glauben, die denjenigen abschwören, welche vorsätzlich abscheuliche Riten ausüben«, erklärte Torquemada so ruhig, als hätte er nicht soeben vor seinen Herrschern geschrien. »Und es gibt solche, die lügen. Sie können nicht ohne Weiteres auseinandergehalten werden, vor allem nicht in Andalusien, wo sie seit Langem eng beieinanderleben. Das ist auch der Grund, warum wir darum bitten, dass das erste Tribunal der Heiligen Inquisition in Sevilla abgehalten werden möge. Das ist fromme Arbeit, die am besten von Männern mit fester Gesinnung verrichtet werden sollte. Doch wenn wir das Böse ausgemerzt haben, wird Gott Gnade zeigen. Er wird den Weg zum Ruhm ebnen und auch zum Reich der Einheit – eine Krone, ein Land, ein Glaube. Er wird Euch helfen, die Ketzer, die Marranos und die Gottlosen zu vertreiben, damit Ihr eine neue Welt errichten könnt, in der Spanien mit absoluter Macht herrscht und die Rechtschaffenen jubeln können.«
    Fernando saß reglos da. Etwas an meiner Miene musste ihm mein Unbehagen verraten haben, denn unvermittelt sagte er: »Die Königin und ich müssen darüber in Ruhe beratschlagen.« Dann half er mir aus dem Stuhl und führte mich, die Hand sanft gegen meinen Rücken gedrückt, in die angrenzende Kammer, wo Kohlenbecken und Lüster angezündet worden waren, um Kälte und Dunkelheit zu vertreiben.
    Ein geriffeltes Fenster bot einen beeindruckenden Blick auf die Stadt. In der Ferne ragte hoch über den steilen Kopfsteinpflasterstraßen der Turm der Kathedrale Santa María auf, der ältesten von ganz Kastilien, erbaut von Fernando III., der »Geißel der Mauren«.
    Während sich Fernando an der Anrichte Wein einschenkte, stellte ich mich ans Fenster. Ich dachte an all die heiligen Bauwerke, die während der Herrschaft meines Vaters und meines Bruders verwahrlost waren. Waren ihr Verfall und die Zügellosigkeit der Geistlichen schuld an dem Krebsgeschwür, das jetzt unseren Glauben zerfraß? Erst kürzlich hatte ich eine Verordnung zur Durchsetzung des Zölibats bei Geistlichen erlassen und die Bischöfe zur Bildung eines Ausschusses aufgefordert, der die Reform sämtlicher Mönchs- und Nonnenklöster sowie die Weihe neuer Priester überwachen sollte. Ferner hatte ich die Cortes dazu gezwungen, einen Fonds für die Renovierung verfallener Kirchen wie der Santa María in Toledo einzurichten, der aber auch die Finanzierung unseres neuen Klosters San Juan de los Reyes sichern sollte, welches wir zum Gedenken an unseren Sieg gegen Portugal errichten ließen.
    »Alles, was ich tue«, verkündete ich laut, als ich Fernando hinter mir herantreten hörte, »dient dem Ruhm Gottes und unseres Landes. Warum nur habe ich dann ein Gefühl, als würde das ganze Durcheinander zu keiner Lösung, zu

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