Der Schwur der Königin
Angelegenheit sehr ernst.« Ich ließ den Blick über die Versammelten schweifen. »Bereitet das Dokument für unsere Unterschrift vor. Wir werden der Inquisition in Kastilien die Vollmacht erteilen.«
Ich drehte mich auf dem Absatz um und schritt eilig hinaus, damit niemand meinen Kummer bemerkte. In meinen Gemächern ließ ich Inés alle Lichter löschen, nur die Votivkerzen am Altar nicht. Dort sank ich auf die Knie.
»Mein Herr und Erlöser«, flüsterte ich, »erhöre das Flehen Deiner demütigen Dienerin. Zeig mir die Wahrheit. Bekunde durch mich Deinen Willen. Lass Irrtümern aus Unwissenheit keinen Raum. Leih mir Deine Kraft, damit ich meine Pflicht erfüllen und Dein Licht über diesen Reichen verbreiten kann. Sie haben so viel an Bösem und Zerstörungen erlitten.«
Ich neigte den Kopf und wartete.
Doch in dieser Nacht gab mir Gott keine Antwort.
V ierter T eil
Das gefallene Königreich
1481–1492
27
Jubelnde Mengen sammelten sich an den Straßenrändern. Die Männer, allesamt in frisch gewaschenen Röcken und Strumpfhosen, schwangen ihre Mützen, an denen sie Nelken befestigt hatten; die Frauen beobachteten unsere langsam vorbeiziehende Prozession, in bestickte Schultertücher gehüllt und aufgeregte kleine Kinder an den Händen. Der gesamte Hofstaat hatte sich auf herausgeputzten Pferden eingefunden; die Adeligen trugen mit Gold durchwirkten Damast, die Frauen prunkvolle Umhänge und wallende Schleier. Neben dem endlosen Zug aus den von Maultieren gezogenen Karren, die mit unserem Hausrat beladen waren, ritten unsere livrierten Diener und grimmig dreinblickenden Wächter einher.
Durch das Fenster meiner Kutsche schaute ich auf die Menschenansammlung hinaus, die von einer mir fremden Landschaft aus saftigen, grünen Tälern umrahmt wurde. Das war das fruchtbare Geburtsland meines Gemahls, das ich zum ersten Mal zu sehen bekam. Ich tat mein Bestes, um ein Lächeln auf mein Gesicht zu zaubern. Fernandos Untertanen warteten seit Stunden, ja, Tagen auf uns: Seit die Nachricht sich verbreitet hatte, dass wir auf dem Weg zu seiner Hauptstadt Saragossa waren, um unseren zweijährigen Sohn von den Cortes Aragóns als Thronfolger vereidigen zu lassen. Das sollte unser dynastischer Meilenstein werden, die symbolische Vereinigung unserer Reiche unter einem Erben.
Mein Blick konzentrierte sich auf die Spitze des Zugs, wo Fernando, Juan vor sich auf dem Sattel, ritt und strahlend lächelte und winkte. Ich musste mir auf die Lippen beißen, um nicht lauthals zu befehlen, man solle meinen Sohn auf der Stelle zu mir bringen.
»Seine Hoheit, der Infant, wird dass alles bewältigen«, versicherte mir Beatriz, die mir gegenüber auf einem Stapel Kissen saß. Inés und meine Töchter waren nicht bei uns – sie wurden in einer Sänfte getragen. Erst kürzlich hatte mir Beatriz anvertraut, dass sie endlich guter Hoffnung war, und ich hatte sofort darauf bestanden, dass sie bei mir mitfuhr, denn ich wusste aus eigener Erfahrung nur zu gut, wie beschwerlich das Reisen in diesem Zustand sein kann. »Hört Euch nur an, wie Aragón ihm zujubelt! Außerdem sind Seine Majestät und Chacón zur Stelle, falls der Infant müde wird.«
»Ich weiß.« Ich hob die Hand, um zu winken, nachdem ich gemerkt hatte, dass das Volk mich entdeckt hatte. Ursprünglich hatte ich ebenfalls reiten wollen, allein schon um nahe bei Juan zu sein, aber dann war ich beim Verlassen des Alkazar in Segovia die Treppe hinuntergefallen und hatte mich am Knöchel verletzt, sodass ich jetzt auf die Kutsche angewiesen war. Wahrscheinlich war das sogar gut so. Die ganze Zeit hatte ich mich über die schier endlose Reise beklagt: Über die mangelnde Sauberkeit der Unterkünfte, wo wir hatten rasten müssen; über das Fehlen von frischem Wasser und Nahrung, ganz zu schweigen von der Gesundheit meines Sohnes – nein, ich war wirklich nicht bester Laune. Mein Blick fiel auf die Tasche neben mir, die von Beschwerdeschreiben und Gesuchen ausgebeult war. Ich hatte wahrlich mehr als genug zu erledigen, bevor wir Saragossa erreichten.
»Seine Koliken sind besser geworden«, meinte Beatriz, als ich den Fenstervorhang widerstrebend losließ. »Und seit über einem Monat hat er kein Fieber mehr gehabt. Das kann doch sicher nur bedeuten, dass seine Ärzte recht haben und er auf dem Weg der Besserung ist.«
»Das will ich auch hoffen«, murmelte ich. »Wenn ich bedenke, wie viele ich herbeibefohlen habe und welche Summen sie mir berechnen.« Ich verstummte
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