Der Schwur der Königin
bei mir, bis Fernando auf Zehenspitzen hereingeschlichen kam, am Fuß des Betts verharrte und mich fragend ansah.
»Gerüchte sind im Umlauf, dass du nicht vorhast, sie der Milchamme zu übergeben. Die Damen am Hof sind entsetzt. Sie glauben, dass du ihr selbst die Brust geben willst.«
»Sie hat noch gar keinen Hunger.« Ich zog das Tuch etwas zurück, das ihr Gesichtchen einhüllte. »Sieh nur, sie schlummert tief und fest. Das tut sie schon, seit sie sie mir übergeben haben. Sie fühlt sich so behaglich, dass es fast schon unnatürlich ist. Hast du jemals ein so ruhiges Neugeborenes gesehen?«
Nun kam er um das Bett herum und betrachtete sie. »Sie hat rotes Haar wie meine Mutter.«
»Dann müssen wir sie Juana nennen«, erklärte ich. »Zu Ehren deiner Mutter.« Ich beugte mich über sie und küsste sie auf die warme Stirn, in die das Leben erst noch seine Lektionen ritzen musste.
» Infanta Juana.« Fernando lächelte. »Ja, das passt zu ihr.«
»Eure Majestäten, wir müssen das Edikt in Kraft setzen.«
Wir saßen im Tagungssaal des Alkazar von Toledo; draußen hüllte ein eisiger Regen die Straßen in einen winterlichen Schleier. Es war spät am Abend. Wir hatten soeben einen weiteren langen Arbeitstag hinter uns gebracht, an dem wir intensiv mit unseren Cortes verhandelt hatten, denen auch die vierunddreißig Bevollmächtigten der siebzehn größten Städte Kastiliens angehörten. Fernando und ich hatten mit vereinten Kräften darum gekämpft, unsere Macht zu festigen und einen auf Jahre angelegten, ehrgeizigen Plan zur Reformierung der Gesetze und des Steuerwesens in die Wege zu leiten.
Jetzt sahen wir uns, Schatten unter den Augen und übermüdet, Kardinal Mendoza und dem kirchlichen Komitee gegenüber, das wir zwei Jahre zuvor damit beauftragt hatten, Beschuldigungen ketzerischer Umtriebe unter conversos zu überprüfen. Neben mir saß, tief auf seinem Stuhl zusammengesackt, das Kinn auf die beringte Hand gestützt, Fernando und betrachtete mit verquollenen Augen einen vor uns auf dem Tisch aufgehäuften Stoß Papiere. Dabei handelte es sich um gewissenhaft gesammelte Anzeigen gegen Priester, die Studenten von der Marienverehrung und dem Heiligenkult abgeraten hätten, um heimlich abgegebene Aussagen von Bürgern, sie hätten Freunde nach jüdischem Brauch ungesäuertes Brot essen oder Münzen in den Mund ihrer verstorbenen Angehörigen stecken sehen, um Berichte über conversos , die das Öl der heiligen Taufe auf der Stirn ihrer Neugeborenen mit Speichel weggerieben hätten, und um unbewiesene Schreckensgerüchte über Folterungen christlicher Jungen in der Karwoche zur Verhöhnung der Passion des Erlösers. All diese Dokumente führten zur selben, unvermeidlichen Schlussfolgerung.
»Seid Ihr sicher?«, fragte Fernando mit heiserer Stimme. »Glaubt Ihr ohne jeden Zweifel, dass diese falschen conversos unsere Kirche untergraben und damit sogar Gewinne erzielen?«
»Ja, Majestad .« Mendoza deutete auf Fray Torquemada. Ich verkrampfte mich auf meinem Stuhl, als der asketische Dominikaner sich erhob, dessen schwarze Kutte sich um seine knochigen Schultern spannte. Seit unserer letzten Begegnung war er noch magerer geworden, sodass ich ihn auf den ersten Blick sogar für todkrank gehalten hatte – er bestand nur noch aus Haut und Knochen, ohne jede Farbe in seinem eingefallenen Gesicht. So unterernährt, wie er war, schien es ausgeschlossen, dass er sich überhaupt noch bewegen konnte; doch seine blassen Augen glühten vor Inbrunst. Jetzt war zu guter Letzt der Moment gekommen, auf den er gewartet hatte.
Ich verbarg mein Grauen, als er zu sprechen begann.
»Das alles ist wahr«, erklärte er mit leiser, tonloser Stimme. »Und es geschieht noch mehr – viel mehr, als wir uns überhaupt vorstellen können. Über ihr heimliches Judaisieren hinaus tun diese widerwärtigen Marranos , diese angeblichen Neuchristen, sich mit den Juden zusammen, nötigen guten Christen Rückzahlungen von Krediten zu schwindelerregenden Zinsen ab und kontrollieren die vorrätigen Geldmittel. Kein einziger Jude bestellt die Erde, wird Zimmermann oder Lohnarbeiter; sie alle streben nach bequemen Ämtern mit dem Ziel, sich auf Kosten anderer zu bereichern. Ihr Vermögen übersteigt das der Königin. Wie die Ungläubigen laben sie sich am Gold, während unzählige andere verhungern.«
Seine Worte stellten nichts wirklich Neues dar. Ähnliche Verunglimpfungen hatte ich jahrelang am Hof meines verstorbenen Bruders
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