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Der Schwur der Königin

Der Schwur der Königin

Titel: Der Schwur der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
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stand er vor mir, als hätte ich auf ihn warten sollen, als wäre alles, was bisher geschehen war, nichts als ein Vorspiel vor diesem entscheidenden Treffen zwischen ihm und mir gewesen.
    Einen atemlosen Moment lang empfand ich es selbst so.
    Dann trug er sein Begehr vor. Er sprach mit der volltönenden Stimme eine Redners; ganz offenbar hatte er das eingeübt. Seine Ansprache umfasste seine absolute Überzeugung von der kugelhaften Gestalt der Erde, geheime Karten, die man ihm anvertraut hätte, und seinen Glauben, dass das ozeanische Meer – diese gewaltige, unerforschte Wasserfläche – bei Weitem nicht so unermesslich sei, wie man gemeinhin annahm. Einen deutlich erkennbaren Akzent hatte er nicht, was in mir Zweifel an seiner Behauptung weckte, er sei der Sohn italienischer Wollkämmer und heiße ursprünglich Colombo. Doch mein Misstrauen schwand, als er mich mit seiner Geschichte fesselte: Er hatte in seiner Jugend vor Portugal Schiffbruch erlitten und in Lissabon viele Jahre in der Gesellschaft von Seefahrern und Geografen verbracht. Zuletzt hatten ihm die Schriften des ägyptischen Astronomen Ptolemäus und des griechischen Mathematikers Eratosthenes die Augen dafür geöffnet, dass es möglicherweise weit entfernte Länder mit einem Überfluss an Gewürzen, Juwelen und Seide gab, die nur darauf warteten, in Besitz genommen zu werden. Bei seinen Worten fand ich mich jäh in meine eigene Jugend in Segovia zurückversetzt, als ich über alten Folianten gebrütet und den Abenteuergeist bewundert hatte, der Menschen immer wieder dazu antreibt, das Unbekannte herauszufordern. Es war, als verstünde es Colón instinktiv, genau diese Saiten in mir anzuschlagen und mithilfe seines verwegenen Vorhabens die durch den Rangunterschied bedingten Barrieren zwischen uns aufzulösen.
    Natürlich waren seine Behauptungen weit hergeholt und völlig unbewiesen. Seine Forderung, sie verwirklichen zu dürfen, war tollkühn und sein Ersuchen um Rechtsansprüche auf die Früchte seiner Entdeckungen pures Wunschdenken. Noch nie war ein Mensch vor einen Monarchen getreten, der so viele Forderungen stellte und so wenig als Gegenleistung zu bieten hatte.
    Doch als Colón geendet hatte, mit weit ausgebreiteten Armen dastand und seine Stimme noch nachhallte, herrschte Totenstille im Saal. Selbst meine Kinder hatten ihre Spiele unterbrochen und ihm gelauscht. Plötzlich merkte ich, dass ich mich in meinem Stuhl unbewusst weit vorgebeugt hatte und ihn, das Kinn auf die gefalteten Hände gestützt, hingerissen anstarrte.
    Dann vernahm ich ein gedämpftes Trommeln von Fingern auf Holz und drehte mich zu Fernando um, der auf den mit Karten übersäten Tisch pochte. Sein Kanzler, Santángel, stand neben ihm und schien den Rest der Welt vergessen zu haben. Um Mendozas dünne Lippen spielte ein leises Lächeln, als amüsierte ihn das Ganze.
    »Das war ja recht viel heiße Luft!« Fernando schnaubte. »Vielleicht könntet Ihr sie besser dafür verwenden, die maurischen Festungen wegzublasen, Seefahrer.«
    Ich wand mich innerlich, als Mendoza schmunzelte. Es sprach für Colón, dass er nur den Kopf neigte, als sei ihm klar, dass er nichts als Theorien zu bieten hatte.
    »Euch ist bekannt, dass wir einen Krieg führen, ja?«, bellte Fernando, womit er verriet, dass er alles mitbekommen hatte, obwohl er angeblich anderweitig beschäftigt war. »Und dennoch erwartet Ihr von uns, dass wir Euch dieses unmögliche Unterfangen auf Euer bloßes Wort hin finanzieren?«
    »Der Krieg Eurer Majestäten ist einer von der Art, die Tausenden das Licht Gottes bringen wird«, erwiderte Colón. »Ich kann Euch helfen, dasselbe Tausenden mehr zu bringen und für Eure Kinder, die Infantes, ein ewig währendes Reich zu errichten, eines, in dem die Sonne nie untergeht.«
    » Wenn Ihr recht habt«, knurrte Fernando. » Wenn Ihr am Rand der Welt nicht ins Leere fallt und mit unserem Geld und unseren Schiffen für immer verschwindet.«
    Colón nickte. »Risiken bestehen immer. Aber Eure Majestäten haben nie den Eindruck erweckt, als würdet Ihr Gefahren scheuen.« Er wandte sich wieder mir zu. »Ja, manche würden sogar sagen, dass Euer Bestreben, die Mauren nach Jahrhunderten der Herrschaft über Granada zu vertreiben – etwas, woran schon so viele gescheitert sind –, den Gipfel der Torheit darstellt.«
    »Für Torheit mögen es manche halten«, entgegnete mein Mann, »aber wir werden das widerlegen.« Er blickte zu mir. »Wir haben wichtige Angelegenheiten zu

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