Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schwur der Königin

Der Schwur der Königin

Titel: Der Schwur der Königin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher W. Gortner
Vom Netzwerk:
an Medinaceli gewandt, welcher der Behauptung des Seefahrers Glauben schenkte, er sehe eine realistische Möglichkeit, die jahrelange türkische Blockade des Mittelmeers zu umschiffen, und plane, auf einer bisher nicht verzeichneten Passage im ozeanischen Meer einen Seeweg nach Indien zu suchen. Medinaceli war bereit, ihm einen Teil des nötigen Geldes sowie Schiffe zur Verfügung zu stellen, doch Colón wollte unsere königliche Bestätigung. Bekäme er sie nicht, würde er Spanien verlassen und seine Pläne dem französischen König unterbreiten.
    Ich faltete den Brief wieder zusammen und reichte ihn meinem Sekretär Cárdenas. »Interessant«, sinnierte ich, plötzlich hellwach. »Fernando, hast du das gehört? Der Seefahrer ist hier.«
    Mein Gemahl blickte auf. Seine Wangen hatten sich gerötet. Ihm war anzusehen, dass er mit Mendoza eine hitzige Debatte über Schlachtpläne führte. Mit seinen neunundfünfzig Jahren war der weltgewandte Kardinal ein erfahrener General, der unsere Truppen auch jetzt noch in der Schlacht anführte und fest umrissene Vorstellungen davon hatte, wie sich Málaga am besten stürmen ließe.
    »Seefahrer? Was für ein Seefahrer?« Fernando blitzte Mendoza an, der an seinem Kelch nippte und sich auch heute nicht vom Jähzorn meines Gemahls aus der Ruhe bringen ließ.
    »Der Mann, der damals von Sidonia unterstützt wurde, weißt du noch?« Schon während ich fragte, war mir klar, dass er es vergessen hatte. Dieser Tage erinnerte er sich kaum je daran, was er zum Abendbrot gegessen hatte; das Einzige, was er im Kopf hatte, war der Kreuzzug, als hätten all die Erfolge des letzten Jahres nicht genügt, um seine einzige Niederlage auszulöschen. Er würde nicht ruhen, bis er Granada in die Knie gezwungen hatte.
    »Ah, ja«, brummte er ungeduldig. »Und …?«
    Ich lächelte. »Und jetzt ist er hier. In Guadalupe. Er möchte uns sprechen.«
    Fernando machte eine wegwerfende Geste. »Gut. Dann sprich mit ihm.« Damit fuhr er wieder zu Mendoza herum; ihr Streit konnte weitergehen. Ich indes nickte Chacón zu. »Ich werde ihn empfangen. Aber warnt ihn. Ich erwarte von ihm, dass er sich kurz fasst.«
    Wenig später kehrte Chacón mit einem großen, breitschultrigen Mann zurück, der mit einem schlichten schwarzen Wams bekleidet war. Seine Kappe hatte er bereits abgenommen, sodass eine dichte sandfarbene, mit silbern glänzenden Strähnen durchwirkte Mähne zum Vorschein kam. Während er sich verbeugte, fiel mir an seiner Haltung eine gewisse Arroganz auf: Er führte die Unterwerfungsgeste mit dem angeborenen Stolz eines Adeligen aus.
    Als er wieder aufsah, verblüffte mich die Intensität seiner blassblauen Augen.
    »Majestad« , sagte er mit tiefer Stimme. »Ich bin geehrt.«
    Geehrt mochte er von mir aus sein, aber er bot mir keine Entschuldigung für seinen unangemeldeten Besuch an. Ich musste mich zügeln, um nicht mit der Zunge zu schnalzen. Er hatte in der Tat viel Zeit mit Sidonia verbracht. Nur enger Kontakt mit einem Mann dieses Kalibers konnte ein derartiges Selbstbewusstsein hervorbringen.
    »Mir ist gesagt worden, dass Ihr schon lange wartet«, begann ich. »Wollt Ihr vielleicht einen heißen Würzwein?«
    »Nein, danke, ich verzichte, wenn Ihr erlaubt.« Er wandte den Blick nicht von mir ab, obwohl das meinen Damen bereits auffiel und sie ihn unverwandt anstarrten. Die meisten Männer hätten ohne meine Erlaubnis nie aufgeblickt, geschweige denn, es gewagt, mein Angebot einer Erfrischung abzulehnen. »Ich habe Euch vieles zu sagen«, fuhr er fort, und zufrieden bemerkte ich eine leichte Rötung an seinen ansonsten blassen, wohlgeformten Wangen. »Es ist richtig, ich warte tatsächlich schon sehr lange – über zwei Jahre, genauer gesagt.«
    »In der Galerie?«, spottete Beatriz.
    Er richtete ernst seinen Blick auf sie. »Das hätte ich getan, wenn es zu einem Ergebnis geführt hätte«, erwiderte er, und ich hatte keinen Zweifel, dass er es auch so meinte.
    »Na schön.« Ich machte es mir mit betonter Gelassenheit auf meinem Stuhl bequem, obwohl mir in Wahrheit das Herz schneller schlug. Er hatte unbestreitbar eine magnetische Wirkung – manche hätten vielleicht sogar gesagt, eine zu große. Angesichts seiner gut gebauten Gestalt, der markanten Adlernase, der tiefsinnigen Augen und seines entschlossenen Gebarens fehlte es ihm für einen gemeinen Bürger an Demut. Wie normalerweise nur Edelleute war er vollkommen von seinem inneren Wert überzeugt. Mit hoch erhobenem Haupt

Weitere Kostenlose Bücher