Der Schwur der Königin
sein Kommentar verletzte. »Um Klatsch habe ich mich noch nie gekümmert.«
Er wandte mir das Gesicht zu, ohne ein Wort zu sprechen. Mich überkam der unerklärliche Drang, sein Schweigen mit meiner Verteidigung zu überbrücken. »Diejenigen, die mich kritisieren, haben mein Vorhaben nicht verstanden. Und auch wenn ich es noch nicht öffentlich kundgetan habe, stecke ich mitten in den Vorbereitungen einer Verbindung zwischen der Tochter des Habsburger Kaisers mit meinem Erben, Prinz Juan, und einer weiteren zwischen dem Habsburger Erben und meiner Tochter Juana. Meine älteste Tochter, Isabél, ist bereits Portugal versprochen, und ich hoffe, meine Jüngste nach England zu verheiraten. Wie Ihr seht, schaue ich sehr wohl über meine Grenzen hinaus, selbst wenn meine Hauptsorge gegenwärtig dem eigenen Land gilt. Ich wäre keine gute Königin, wenn es sich anders verhielte. Aber Kastilien muss an erster Stelle kommen. Das ist der Eid, den ich am Tag meiner Thronbesteigung abgelegt habe.«
Er neigte den Kopf. »Ich wollte keinen Anstoß erregen. Ich kann gar nicht mit Worten ausdrücken, wie privilegiert ich mich fühle, dass Ihr bereit wart, mich heute trotz der schwierigen Umstände zu empfangen. Mir ist bewusst, dass Ihr viel zu tun habt und dass es ein seltener Luxus ist, Zeit mit der eigenen Familie zu verbringen.«
Plötzlich verspürte ich den Drang, ihn an die Schulter zu fassen, ihm irgendwie Mut zuzusprechen. Stattdessen sagte ich: »Ich möchte nicht, dass Ihr diesen Vorschlag anderswo unterbreitet. Auch wenn es uns gegenwärtig nicht möglich ist, Eurem Ersuchen stattzugeben, werde ich ein Komitee einsetzen, das sich mit Eurem Antrag befassen soll. Den Vorsitz wird mein Beichtvater, Talavera, führen, ein Mann von großer Weisheit. Ferner beabsichtige ich, Euch einen Sold zu gewähren, der Euch Unabhängigkeit von anderen ermöglichen dürfte. Seid Ihr allein?«
»Nein, Majestad, ich habe einen Sohn, Diego. Er erhält im Kloster La Rábida Unterricht.«
»Und Eure Frau …?«
Ein Schatten huschte über sein Gesicht. »Sie ist vor Jahren gestorben – bevor wir Lissabon verließen.«
»Das tut mir leid«, murmelte ich. »Dann werde ich den Sold so ausstatten, dass er auch für den Unterhalt Eures Jungen ausreicht.« Ich streckte ihm die Hand hin.
Er beugte sich darüber und berührte meinen Ring leicht mit den Lippen. Als er sich aufrichtete, sagte er: »Danke, Majestad . Ihr seid wahrhaftig eine große Königin, der mit Körper und Herzen zu dienen für mich eine besondere Ehre wäre.«
Zu meiner Beunruhigung wurde mir heiß. Was hatte dieser Mann an sich, dass er solche Regungen in mir auslöste? Hätte ich mich nicht besser gekannt, hätte ich schon befürchtet, mich von ihm angezogen zu fühlen. Dabei wusste ich, dass körperliche Lust eine zu einfache Erklärung für die Tiefe meiner Empfindung war. Vielmehr glaubte ich, dass die Begegnung mit ihm mir vom Schicksal unausweichlich vorherbestimmt war.
Ich entzog ihm die Hand und wich einen Schritt zurück. »Ihr seid willkommen, mit unserem Hof zu reisen, wenn wir wieder in den Süden ziehen. Aber ich muss Euch warnen: Es ist ein mühevolles Unterfangen, das vor uns liegt. Es erfordert alle Glaubenskraft und Leidensfähigkeit eines Menschen, denn es ist Gottes Werk.«
»Vor Gottes Werk habe ich noch nie Angst gehabt«, erwiderte er.
Damit wandte er sich ab und entfernte sich mit wiegenden Schritten, ohne meine Erlaubnis abzuwarten. Ich musste lächeln. Wie ich schon sehr früh vermutet hatte, war das kein Mann, der sich vor dem Ruf Gottes drückte.
Auch wenn er mir nichts bot außer seinem bloßen Wort, zog mich dieser rätselhafte Fremde in seinen Bann, eröffnete er mir doch einen Blick auf ein größeres Geheimnis der Welt.
Und ich schwor mir, dass ich ihm diese Reise ermöglichen würde, wenn es irgendwie in meiner Macht lag.
30
In der glühenden Hitze Andalusiens schritt ich den Säulengang hinauf und hinunter, jeden meiner Sinne auf die Amtsträger und Hofbediensteten konzentriert, die geschäftig durch den Innenhof des Alkazar eilten. Ich wartete auf Neuigkeiten von der Front.
»Wo ist er?«, fragte ich bestimmt schon zum hundertsten Mal, während meine arme Inés mit meinem unsteten Marschieren mitzuhalten suchte und ihr der Schweiß in Strömen von Gesicht und Hals in das feuchte Mieder rann. »Wie lange kann es denn noch dauern, bis ein Bote ankommt? Fernando und unsere Männer haben Loja vor über zwei Wochen verlassen, da
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