Der Schwur der Königin
beleidigen wollte. Und sie hatte gemerkt, dass mein Blick zu ihrer Tasche gewandert war, denn sie fragte: »Wollt Ihr die Werke sehen?«
Ich nickte. Als sie die Tasche aufhob und den Riemen löste, musste ich an mich halten, um nicht vor Begeisterung in die Hände zu klatschen. Tatsächlich kam ich mir vor wie ein kleines Kind beim Geschenkeauspacken am Dreikönigsfest. Beatriz Galindo hatte aus Salamanca eine Tasche voller Bücher mitgebracht!
»Dieses hier heißt De Finibus « – sie reichte mir ein dünnes, in Leder gebundenes Werk – »eine bedeutende Abhandlung des römischen Philosophen Cicero über Ethik. Und hier habe ich« – sie zog ein aufwendig gefertigtes, in Kalbsleder gebundenes Buch heraus – » Carmen Paschale , ein Epos aus dem fünften Jahrhundert von dem Dichter Sedulius, das auf der Grundlage des Neuen Testaments beruht.« Sie hielt kurz inne. »Viele halten ihn für einen schamlosen Nachahmer von Vergil, aber ich finde seine Interpretation der Bibel einzigartig. Ich habe mir gedacht, dass wir mit ihm anfangen könnten, da Eure Majestät eine so eifrige Hüterin unseres Glaubens ist.«
Meine Hände zuckten schon zu dem Buch hin, doch plötzlich befiel mich Scham, als ich mich ihrem nachdenklichen Blick stellte. »Diese Bücher sind ja in Latein geschrieben. Ich … ich fürchte, ich verstehe diese Sprache nicht besonders gut. Ich habe gelernt, soweit es meine Zeit erlaubt, habe aber nur wenig Fortschritte gemacht.« Ich stieß ein kurzes, verlegenes Lachen aus. »Wie Ihr gerade selbst gesagt habt: Ich empfinde es als nicht sehr zugänglich.«
Sie tätschelte mir die Hand, als wären wir enge Freundinnen. »Bald werdet Ihr daraus schlau werden, wenn Ihr mir die Ehre gewährt, Euch zu unterrichten«, versprach sie. »Wie mein Spitzname bezeugt, bin ich bestens mit Latein vertraut.« Mit einem Lächeln entblößte sie hübsche Grübchen in ihren runden Wangen. »Und beizeiten dürfen wir vielleicht auch moderne, auf Spanisch geschriebene Werke sehen und erleben, wie Eure Majestät als Begründerin unserer eigenen, spanischen Wiedergeburt der Kunst gefeiert wird.«
Sie sprach mir aus dem Herzen. Es war tatsächlich mein sehnlichster Wunsch, als genau das in die Geschichte einzugehen: als Königin, die der Nachwelt ein Erbe hinterließ, das mehr umfasste als Kriege. Auch wenn ich für die spirituelle und physische Einheit ganz Spaniens kämpfte, glaubte ich, dass ein wahrhaft großes Land, eines, das auf Jahrhunderte hinaus Bestand haben würde, auf der Grundlage einer des Lesens und Schreiben kundigen und vielseitig gebildeten Gesellschaft beruhen musste.
In atemloser Erregung schlug ich das Buch auf, während sie sich einen Stuhl neben den meinen heranzog. Als Fernando Stunden später zu uns hereinkam, musterte er Beatriz, die mit sich bauschendem Kleid vor ihm niedersank, mit prüfendem Blick.
Nachdem ich ihm berichtet hatte, wer sie war und dass sie sich bereit erklärt hatte, sich auch um den Unterricht unserer Kinder zu kümmern, lächelte er. »Na, dann hast du ja zu guter Letzt deine Lehrerin gefunden.«
Mit einem nachsichtigen Schmunzeln bedeutete er Beatriz, sich zu erheben, und zündete dann zwei zusätzliche Kerzen an – »Bei diesem Dämmerlicht wird man ja noch blind« –, ehe er uns wieder unseren Studien überließ. Er wirkte eindeutig zufrieden. Seine Erfahrungen hatten ihn gelehrt, dass eine gebildete Gemahlin unserem Reich nur von Nutzen sein konnte.
Die nächsten zwei Jahre vergingen wie im Flug. Cádiz, Medina Sidonia und unsere anderen andalusischen Adeligen konnten die Grenze halten und den vielen Überfällen von El Zagals maurischen Mördertrupps widerstehen. Auch wenn er aus Málaga entkommen war und die Stadt seinem Schicksal überlassen hatte, war El Zagal von dem Wunsch beseelt, Rache für den Verlust der Stadt zu üben, über die er einst ungestraft geherrscht hatte. Doch seine Taten bestärkten Fernando nur in seiner Entschlossenheit, den Kopf des rebellischen Mauren auf einen Pfahl zu spießen.
So kehrten wir, mit Munition und frischen Streitkräften ausgestattet, in den Süden zurück, um uns auf unser nächstes Ziel zu konzentrieren: El Zagals befestigte Stadt Baeza.
Durch Berge und Schluchten abgeschottet, gehörten die Bewohner von Baeza zu den widerstandsfähigsten der maurischen Bevölkerung. Ihr Hass gegen uns hatte in den Jahren unbarmherziger Kreuzzüge stetig weitergeschwelt und nach dem Fall Málagas endgültig den Siedepunkt erreicht.
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