Der Schwur der Königin
Von Cádiz erfuhren wir, dass El Zagal von unseren Plänen Wind bekommen und in Erwartung unseres Eintreffens zehntausend seiner besten Krieger in die Stadt entsandt hatte. Die Einwohner hatten Vorräte für über ein Jahr gehortet, ihre Wehranlagen verstärkt und in den huertas, den Obstgärten in der Umgebung, die gesamte Ernte vernichtet. So blieben für uns nichts als kahle Bäume und Sträucher zurück, dazu dichtes Unterholz, Farngestrüpp und dornige Dickichte, die uns das Vorankommen erschwerten. Obendrein thronte die Stadt selbst auf einem steilen Berg, umgeben von dicht bewaldeten Schluchten. Über sie eine Belagerung zu verhängen, warnte uns Cádiz, würde zwangsläufig zu einer qualvollen, langwierigen Strapaze werden.
Ähnlich düstere Voraussagen hatten wir schön öfter gehört und dann trotzdem gesiegt. Dennoch war ich voller Sorge, als ich mich von Fernando verabschiedete und er an der Spitze unserer dreiundvierzigtausend Mann starken Armee loszog, um sie zum Fluss Guadalquivir zu führen, der den huerta von Baeza speiste. Ich selbst musste am Hof zurückbleiben, erneut der Gnade der Kuriere ausgeliefert. Zu Hause hatte ich es jetzt allerdings mit einer noch schwierigeren Aufgabe zu tun: Ich musste unsere geliebte Isabél auf ihre Abreise nach Portugal vorbereiten.
Diesen Abschied hatte ich so lange wie nur möglich hinausgeschoben und mich dabei auf eine Reihe von Gründen berufen: den permanenten Geldmangel, Isabéls Jugend und ihr Bedürfnis, bei ihrer Familie zu bleiben. Doch jetzt erreichte sie bald ihr zwanzigstes Lebensjahr, und dem portugiesischen König riss langsam der Geduldsfaden. Meine Tante Beatrice schrieb mir, dass wir unsere Vereinbarung bald besiegeln sollten, bevor irgendein anderer Monarch ihm eine Braut für seinen Sohn, Prinz Alfonso, anbot.
»Portugal ist ja gleich über die Grenze«, beschwichtigte ich meine Tochter beim Packen ihrer Habe. »Wir können uns jedes Jahr besuchen oder auch öfter, wenn du willst.«
»Ja, Mama«, murmelte sie, während ihre zarten Finger, die bis zur Eheschließung unberingt bleiben mussten, sorgfältig unsere Mitgift zusammenlegten: die bestickten Leinentücher, die mit Spitzen gesäumten Hemden, die Mäntel, die Kapuzenumhänge und kostbaren Roben mit Hermelinpelz, die ich für sie hatte anfertigen lassen. Für Isabéls Brautausstattung hatte ich ein ganzes Vermögen verschwendet, das ich nicht besaß und mir mit ausstehenden Geldforderungen als Pfand zusammengeborgt hatte, nur damit ich meine Älteste mit all dem versorgen konnte, was sie unter sämtlichen denkbaren Klimabedingungen in allen Jahreszeiten vielleicht brauchen konnte. Es war, als würde sie nicht einfach nur unsere Grenze überqueren, sondern über den Ozean in ein Land reisen, das mir weder bekannt noch geheuer war.
Ein ums andere Mal schluckte ich gegen den Kloß in meiner Kehle an. Gleichzeitig konnte ich beobachten, mit welch stoischer Ergebenheit Isabél ihr Schicksal annahm. Mit aller Gründlichkeit und Sorgfalt hatte ich diesen Tag geplant, doch der bloße Gedanke daran, dass sie bald weit von mir entfernt sein würde, an ihrem eigenen Hof, verheiratet mit einem mir völlig unbekannten Prinzen, ließ mich zögern. Ich musste dem Drang widerstehen, sie an mich zu drücken und nicht mehr loszulassen. Sie war die erste meiner Töchter, die fortging – wie konnte ich dasselbe drei weitere Male ertragen?
Beatriz wusste, wie verzweifelt ich war; bis zum letzten Lebewohl an der Grenze zu Portugal blieb sie dicht an meiner Seite, ehe ich Isabél zu Fanfarenklängen und unter Seidenbannern an meine Tante Beatrice und deren Gefolge übergab. Portugal hatte Hunderte von Anstandsdamen, Adeligen und Beamten entsandt, damit sie meine Tochter mit allen angemessenen Ehren nach Lissabon begleiteten; nur ihr zukünftiger Mann sollte nicht zugegen sein, denn gemäß einem alten Brauch war es dem königlichen Bräutigam verboten, seine Braut persönlich abzuholen.
Als ich Isabél in jenem vom Wind gepeitschten Feld zwischen den zwei Ländern umarmte, fragte sie mich zögernd: »Glaubt Ihr, dass er mich so lieben wird wie Papa Euch?«
Das war ihr erstes Eingeständnis einer Angst, die sie hinter ihrer heiteren Fassade vor uns allen verborgen hatte. Beide Hände an ihre Wangen gelegt, flüsterte ich: »Ja, hija mía , das wird er. Das verspreche ich dir.«
Sie versuchte zu lächeln. Alles hätte ich ihr in diesem Moment versprochen, nur um ihre Ängste zu zerstreuen, doch ich konnte
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