Der Schwur der Königin
»Natürlich nur außen Gold, nicht innen!«, schnaubte Fernando. »Die Franzosen sind nichts als billig, selbst wenn es um Gottes Werk geht.«
Trotzdem war ich von unserer neuen Beliebtheit angetan, insbesondere von den Heiratsangeboten für meine Kinder, die jetzt eintrafen. Über die Allianzen mit Habsburg hinaus verhandelte ich schon mit Heinrich VII., dem neuen englischen Monarchen, der nach der Tötung des letzten Königs aus dem Hause Plantagenet die Tudor-Dynastie begründet hatte; dieser äußerte ein glühendes Verlangen danach, eine meiner Töchter für seinen neugeborenen Sohn Arthur zu ergattern. Mit solchen Allianzen würden wir unsere Macht mehren und ein Netz aus Familienbeziehungen um Frankreich herum weben, das am Ende vielleicht sogar das Verderben für diese räuberische Nation bedeuten konnte. Sämtliche Angebote erforderten neben der Entsendung von Botschaftern an jeden der ausländischen Höfe Zeit für Verhandlungen. Da unsere Schatzkammer – wie immer – leer war, leitete ich neue Darlehen von unseren jüdischen Geldverleihern aus Valencia in die Wege, für die ich ihnen noch mehr von meinen Juwelen als Bürgschaft bot. Sie würden sie als symbolisches Pfand aufbewahren und mich als Gegenleistung mit den Mitteln ausstatten, die ich für rauschende Feiern und Empfänge am Hof benötigte, um die fremden Gesandten mit dem Glanz unseres Reiches zu beeindrucken.
Neben all dem widmete ich mich weiterhin der Erziehung meiner Kinder, aber auch meinen eigenen Studien, die allerdings weit hinter meinen ersten Hoffnungen zurückgeblieben waren. Als ich dank Cárdenas von einer gelehrten Frau erfuhr, der sogenannten La Latina, war meine Neugier geweckt. Als Beatriz Galinda, Tochter kleiner Adeliger, geboren, war sie fürs Kloster bestimmt worden, hatte aber schon früh solches Talent für Literatur und Latein gezeigt, dass man sie zum Studium an die Universität von Salerno in Italien schickte, eine der wenigen Akademien, die auch Frauen zuließen. Mit Abschlüssen in Latein und Philosophie war sie nach Kastilien zurückgekehrt, wo sie eine Professur an der Universität von Salamanca annahm. Letzteres war eine direkte Folge meines Edikts, das Frauen die Segnungen höherer Bildung zugestand. Mit ihren herausragenden Leistungen in Sprachen und ihren klugen Abhandlungen über Rhetorik und Medizin hatte sie in ihren Kreisen schnell einen Ruf als ein wahres Wunder an Gelehrsamkeit erworben.
Ich beschloss, sie an den Hof zu holen.
Als sie vor mir in meinem Gemach stand, in ein einfaches braunes Wollkleid gehüllt, die Haare unter einem Leinentuch verborgen, das ihre sanften blauen Augen und rosigen Wangen betonte, konnte ich nicht anders, als sie ungläubig anzustarren.
»Ihr … Ihr seid ja so jung!«, ächzte ich.
Sie richtete sich von ihrem tiefen Knicks auf. »Majestad, ich bin zwanzig Jahre alt.« Sie hatte eine weiche, aber Achtung gebietende Stimme, als hätte sie es noch nie nötig gehabt, sie zu erheben, um sich Gehör zu verschaffen. »Im Alter von neun Jahren wurde ich in die Obhut eines Klosters gegeben, wo ich hätte bleiben können, wenn meine Erzieherinnen nicht auf meine Liebe zu den Büchern aufmerksam geworden wären. Später habe ich in Salerno studiert, bin aber nach Eurem Edikt zurückgekehrt, um hier zu lehren und unter der Anleitung meines Förderers, Don Antonio de Nebrija, weiterzustudieren.«
Sie musste mir meine Verwirrung angemerkt haben, denn sie fügte erklärend hinzu: »Don de Nebrija ist in hiesigen und auch ausländischen Gelehrtenkreisen berühmt. Gegenwärtig bereitet er ein Werk über die spanische Grammatik vor, das er Eurer Majestät widmen wird.«
»Ein Buch über die spanische Grammatik?«, fragte ich unbedacht und warf einen Blick auf die ausgebeulte Ledertasche zu ihren Füßen. »Zu welchem Zweck? Ich kenne unsere Sprache.«
» Majestad , die alten Römer benutzten die Sprache, um ihr Imperium zu errichten. Dabei verbreiteten sie Latein in einem solchen Ausmaß, dass wir es bis zum heutigen Tag benutzen. Könnten wir nicht dasselbe mit dem Spanischen tun? Es wäre doch sicher von Nutzen für unser Land, wenn mehr Landsleute die Fähigkeit hätten, in ihrer Muttersprache zu lesen und zu schreiben. Sosehr ich es verehre, Latein ist nicht annähernd so zugänglich.«
Mir verschlug es die Sprache. Ohne das geringste Flackern in der Stimme hatte sie mir meine Unwissenheit vorgehalten. Verletzt fühlte ich mich jedoch nicht. Mir war klar, dass sie mich nicht
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