Der Schwur der Venezianerin
das Viertel der Stadt Florenz, in das sie sich alleine niemals hineingewagt hätte. Nacheinander lernte sie die jungen Mädchen kennen, die unter ihrem Herzen den möglichen Knaben trugen. Von ihm erwartete sie, er würde einst der Nachfolger am Herrscherhof werden und ihr zu einem ständigen Sitz im Olymp der Macht verhelfen. Sie selber sprach mit den Mädchen und fand in allen Dreien weiß Gott die hübschesten, die sie sich in Florenz vorstellen konnte. Außer ihrer Armut schienen sie von wahrhaft edlem Geblüt zu sein. Sie gab ihnen auf den Weg, sich gut um ihre Leibesfrucht zu kümmern und es bei der Ernährung an nichts mangeln zu lassen. Sie selbst würde sich regelmäßig bei ihnen sehen lassen.
Zum Abschied fasste Bianca den Roberto ins Auge:
„Gut ausgewählt, junger Mann. Doch lass mich noch eines wissen, sind die Väter von gleicher edler Gestalt, wie diese Mädchen“, fragte sie.
„Sie alle sind von noch edlerer Gestalt, als die Mädchen selbst. Ich kenne sie sehr wohl. Es gibt nur einen Einzigen, meine Herrin, ich bin es.“
Ein leichtes Pfeifen fuhr aus den Zähnen der Cappello: „Dann kann ich recht zufrieden sein.“
Sie betrachtete mit Wohlgefallen den Burschen, der die Saat gesät hatte. Mit der stolzen Haltung einer Herrin gab sie ihm den letzten Befehl.
„Hütet Euch wohl, Roberto, wenn Ihr nur ein einziges Mal über dieses Geschehnis plaudert, seid Ihr des Todes.“
„Fürstin, nichts wird über meine Lippen kommen, dagegen würde ich aber auch gerne stets zu Euren Diensten sein.“
Bianca lächelte verständnisvoll. „Er wäre nicht der Schlechteste“, dachte sie.
Von nun an suchte sie recht häufig ihre schwangeren Komplizinnen auf.
„Wie fühlt Ihr Euch, Margherita?“ „Was habt Ihr zu berichten Vittoria?“ „Geht alles gut, Maria?“
Sie sorgte sich um das Wohl der werdenden Mütter. Eine von ihnen würde ihren Kronprinzen unter dem Herzen tragen. Sie kopierte deren Aussehen, fühlte sich wie jede der Schwangeren. Außerdem verfügte sie selbst schon über eigene Erfahrung bei ihrer Tochter. Sie lernte weiterhin begierig von den jungen Frauen. Bianca wuchs in ihre neue Rolle hinein, wie sie jede Rolle, von der sie sich etwas versprach, ausfüllte.
Der junge Herrscher der Medici besuchte sie an der Via Maggio immer häufiger. Mit würgendem Husten empfing ihn schon bald die junge Geliebte. Kaum trat er zur Türe ein, verschwand sie im Abort.
„Ich bedaure es sehr, mein Fürst“, sprach sie ihn an, „ich bin heute unpässlich. Mir macht ein Umstand zu schaffen, der ein wirklicher ist.“
„Ich verstehe es nicht“, antwortete er, „was ist das, was soll das? Bist du krank, ist es etwas Schlimmes?“
„Es ist eher etwas Schönes. Deine Zeugungskraft, oh mein Gebieter, hat es geschafft. Du hast ein neues Leben in mich gepflanzt.“
„Wie, was?“ versuchte er erneut zu verstehen.
„Nun, mein Held, du wirst bald einen neuen Helden haben. Ich erwarte ein Kind von dir.“
Mit offenem Mund stand er vor ihr, hielt ihre Hände. Francesco lächelte mit einer Träne im Auge.
„Wirklich, Bianca. So haben wir es geschafft. So bist du schwanger geworden. Doch, was wird es sein, ein Junge oder ein Mädchen? Mädchen habe ich genug gezeugt. Ein Junge muss endlich her.“
„Es wird ein Junge sein, ich bin ganz sicher.“
„Woher diese feste Überzeugung?“
„Ich fühle es, ich spüre es, es ist ein Junge. Er wird dein Nachfolger.“
„Mein was? Warum, wie kommst du darauf.“
„Nun die Toskana braucht einen Nachfolger von dir. Hast du ihn schon?“
„Nein, nein, aber wir sind nicht verheiratet.“
„Sprichst du von Johanna? Johanna ist nichts weiter als ein Mitarbeiter, wie ein Sachbearbeiter aus Eurer Bank. Wenn er seine Leistung nicht vollbringt, muss er gehen. Sie bringt ihre Leistung nicht. Wo ist der so dringend benötigte Knabe?“
„Er ist gestorben, du weißt, er ist mit fünf gestorben.“
„Ich spreche nicht von dem Toten. Ich spreche von deinem lebendigen Nachfolger. Hat sie einen produziert?“
„Nein, nein, wir brauchen wirklich einen Knaben.“
„Gut, mein liebster Francesco, versprich mir, wenn es ein Junge wird, wird er Großherzog.“
Der Herrscher über die Toskana lächelte. Was kostete ihn das schon, ein solches Versprechen abzugeben?
„Wenn es ein Junge wird, wird er Großherzog“, entschied er sich kurzerhand.
„Wenn es ein Junge wird, wirst du mich heiraten.“
„Und Johanna?“
„Für Johanna musst du eine andere
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