Der Schwur der Venezianerin
die zarten Finger der jugendlichen Geliebten. Matronen mit giftig dreinschauenden Gesichtern hielten sich viel zu lange an den nackten, kräftigen Körpern der schwarzen Sklaven fest. Jeder Gast, jeder Ankommende inszenierte seinen eigenen Auftritt.
Die Schwüle drückte noch auf Venedig. Der Spätsommer fand kein Ende, eine Hitzewelle, die nicht mehr in das Bild passte, quälte die von Mücken geplagte Stadt. Schwitzend entstieg das eine oder andere Urbild einer verjährten Schönheit den schwankenden Gondeln, die von den Gondolieren nur artistisch über Wasser gehalten werden konnten. Der leichte Abendhauch stand ungünstig, blies vom Canal her den Gestank von vermodertem Wasser und nicht fortgeschwemmten Fäkalien in das Haus. Dazu mischte sich der Schweißgeruch einer ungewaschenen, überanstrengten Gesellschaft. Weit über die glänzenden Brokatkleider, den angehängten Schmuck und die bis ins Lächerliche angemalten Gesichter hinaus, versuchte Bianca herauszufinden, was die Frauen und Männer einer vom Erfolg verwöhnten Gesellschaft antrieb, sich solcher Strapazen zu unterziehen. Offenbar aber ließen sie sich nur treiben im Sud des venezianischen Reichtums.
Ein junger Mann, der sich, noch unbekannt und unerkannt, ein wenig im Hintergrund hielt, beobachtete die ankommenden Damen mit größtem Interesse. Er wusste, dass er nicht in diese Gesellschaft passte. Nur seinem Bankhaus hatte er die Einladung zu verdanken. Pietro Bonaventuri entdeckte die Modeerscheinungen Veneziens. Bedauernd schaute der junge Pietro auf hübsche, reiche und offensichtlich glückliche Paare. Ihm waren solche Vergnügungen, wie sie sich da abzeichneten, verwehrt.
„Noch“, sagte er sich, und in dem Moment reifte in ihm der Entschluss, der sein Leben gestalten sollte.
Aus Speichern und Kammern hatte Bartolommeo Cappello mit seinen Kostbarkeiten die Räume und den Garten schmücken lassen. Dreihundert Jahre alte Eroberungsstücke, noch zum Teil aus dem vierten Kreuzzug, Gold- und Silberkannen, feinste Porzellanvasen aus China, aber auch Gläser von der Insel Murano, Teppiche aus Persien, Silberbestecke aus Deutschland zierten Tische und Ständer. Es gab nichts Einfaches zu entdecken, nichts, was dem täglichen Gebrauch zugeordnet gewesen wäre.
Mit Turban und freiem Oberkörper tauchten die prächtigen Sklaven überall dort auf, wo es schnell etwas fortzuräumen galt. Voller Bewunderung lagen die gierigen Augen älterer und jüngerer Damen auf den kräftigen Oberkörpern und starken Schenkeln der gut gebauten Afrikaner. Während sich die Augen der Signori an den schlanken, vollbusigen Sklavinnen aus der ganzen Welt weideten. Köstlichkeiten für Gaumen und Magen aber auch für Augen und Herz schenkten Genüsse für alle Sinne.
Zu jener Zeit wetteiferten in Venedig zwei der größten Pinselkünstler miteinander, die auf dieser sonst auch nicht trostlosen Welt als die Besten aller Zeiten dargestellt wurden. Tizian und Tintoretto, oder die Renaissance und der Manierismus reichten sich an diesem festlichen Abend die Hand. Sie unterschieden sich im Alter. So trug der eine dreißig Jahre mehr als der andere. Tintoretto, der jüngere, war auch schon zweiundvierzigjährig.
Das Gerücht hatte zuvor die Runde gemacht, sie würden beide nicht erscheinen. Cappellos Inszenierung würde damit den Bach hinunter gehen. Schließlich lief noch ein anderes Gerücht über die blutroten Lippen venezianischer Schönheiten. Es wurde unterschiedlich kolportiert, wen die beiden Pinselkünstler auf die Leinwand verfrachtet hätten. Und es war ihnen klar, dass es nicht ein Blumenstrauß oder ein Mariengemälde sein könnte. Die Wiedergeburt der Lust sollte auch in einem schönen Frauenkörper gefeiert werden. Wer aber könnte es sein? Welche schöne Fürstin oder Patrizierin hätte Tizian oder Tintoretto lange Stunden Modell gestanden oder besser gesagt gelegen?
Zwischen fruchtigen Speisen und schmachtenden Liebesgesängen blieben die beiden Maler das begehrte Objekt der Gespräche. Sie hatten es verstanden, sich rarzumachen.
Die Spannung stieg ins Unermessliche. Denn sicher war man sich nie, ob sie wirklich denselben Anlass beehren würden, oder ob überhaupt einer käme. Zumindest diesem Fest von Cappello könnten die beiden begehrten Künstler ihren Glanz hinzufügen. Eine Erwartung voller knisternder Spannung lag über dem Fest.
Eine junge Frau wusste allerdings mehr darüber. Bianca.
Als ein Raunen vom Canal her auf das Festhaus traf, wusste man,
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