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Der Schwur der Venezianerin

Der Schwur der Venezianerin

Titel: Der Schwur der Venezianerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Tschauder
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beiden, nach dem Künstler und nach dem Werk. War es vielleicht das Modell, das ihn verzauberte, die Laszivität in dem Gemälde, die seinem Leben einen nachhaltigen Wandel vermitteln sollte? War der junge Mann, Pietro Bonaventuri, nur einer der vielen faszinierten Venezianer, der bald wieder in der unbedeutenden Menge verschwinden würde?
    Mit der gebotenen Ernsthaftigkeit, einem Gesichtsausdruck, der jedem Gemälde würdig gewesen wäre, schaute Tizian, den schon alle Welt mit den höchsten Ehren überhäuft hatte, in die Runde venezianischen Reichtums und Selbstgefälligkeit. In der kurzen Zeit, die ihm blieb, bevor er selbst zurück in die Masse fiel, betrachtete er das Glitzern und Funkeln des aufgetragenen Prunks und des bezahlten Kunstsachverstandes. Er benötigte diese Art der Ehrung nicht mehr und doch genoss er sie, und er war sich sicher, er würde sie noch lange genießen. Vielleicht sogar würde er den Mann, der gleich nach ihm sein Bild enthüllen würde, noch an Lebensjahren übertreffen.
    Eine junge Frau mit einem kaum bedeckten Busen erschien, um den Gott der Künste die Stufen von Podium hinab zu geleiten. Er ließ es geschehen, nicht weil er die Hilfe benötigte, allein weil er das junge Weib an seiner Seite als Aufforderung betrachtete. Unter dem Beifall der vornehmen Welt Venedigs wollte er für diesen Abend von der Bühne abtreten und überließ dem Anderen, dem Jüngeren das Feld.
    Tintoretto zeigte sich keineswegs sofort. Er ließ die Gemüter sich beruhigen und ließ Tizians Gemälde abdecken, um die wartenden Gäste für sein Bild vorzubereiten. War er der Einzige, der wusste, was kam, was geschah? Noch war er unter den Gästen verteilt, wie ein Kuchen, von dem man sich ein Stück abschnitt. Doch dann ließ er sich bitten. Nach einer Weile betrat er das Podium. Von dem einsetzenden Schweigen wurde er empor getragen in die himmlischen Sphären des Weltruhmes, wohl wissend, dass die Spannung unter den Gästen niemals höher ist, als vor der Enthüllung des Bildes. Er nahm sie wahr, all die Bewundernden, die Kunstverständigen. Er schaute in jedes Gesicht, fragte jedes Antlitz nach dem wirklichen Sinn seines hier Seins.
    Noch war sein Ruhm von seinem einzigartigen Gemälde „Das Sklavenwunder“ in der Scuola di San Marco nicht abgeklungen, schon eilte er einem neuen Wunder entgegen.
    Auf sein Handzeichen hin verdunkelten Diener und Sklaven sämtliche aufgestellten Lampions und Fackeln. Finsterste Nacht umgab den Garten, einige Männer riefen „oh“, Frauen kreischten, weil manch ein Busen die kalte Hand eines Edlen fühlte.
    Das leise Dahinplätschern der Laute schwoll an, und wie von Geisterhand berührt, erstrahlten alle Lichter.
    Erneut rauschte ein Sturm des Entzückens durch die Menge der Gäste. Bescheiden wirkte jetzt der großartige Künstler neben seinem Gemälde. Es offenbarte eine Einmaligkeit in der Kunstwelt. Das gleiche Motiv, zur gleichen Zeit, das gleiche Modell die vierzehnjährige Tochter des Hauses, Bianca Cappello.
    Auf grüner Wiese gab sich das Mädchen, ihr Körper ausgereift, wie eine Frucht, den Blicken der Betrachter preis. Wieder einmal zeigte sich die Perfektion der italienischen Malkunst. Zwei Stile in der Kunst stellten sich zum Wettbewerb.
    In der Neuenthüllung war es jedoch nicht nur die Perfektion der Malkunst, der abgestimmte Handlungsablauf, die Liebe zum Detail. Tintorettos Komposition führte in die Tiefe, seine visionäre Umsetzung mit atmosphärischer Lichtbehandlung ließ aus der Darstellung die magische Anziehung dieses weiblichen Körpers entstehen. „Venus Venezia“ zeigte sich als dynamisch bewegte Figur. Mehr als das. Sie war für jeden greifbar, erwünschbar. Nicht nur die Betrachtung durch die vielen Zuschauer hob das Bild zu einem Kunstwerk an. Das Hingreifen des Bildes auf den Betrachter ließ die Gäste Cappellos erzittern. Die Gäste empfanden die Schönheit in der Darstellung auf ihrer eigenen Haut. Manche Bewegung unter den zahlreichen Venezianern ließ die Spannung spüren, die das Kunstwerk auf sie ausübte. Der verschwenderische Reichtum an den wie Edelgestein funkelnden Farben erfüllte die Luft, glühendes Licht sprang aus dem Gemälde, erfüllte die Antlitze mit einem kostbaren Glanz.
    Und wieder war es dem jungen Mann, der sich unauffällig in der Menge hielt, als treffe ihn dieses Bildnis mitten in sein Herz. Er stellte den angebotenen Wein beiseite, wollte sein Empfinden, das ihn an diesem Abend wie die göttlichen Boten der

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