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Der Schwur der Venezianerin

Der Schwur der Venezianerin

Titel: Der Schwur der Venezianerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Tschauder
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hätten ihre blonden Haare wie das pure Edelmetall geglänzt, und aus ihren Augen seien glitzernde blaue Funken gesprüht. Tauben seien in einem Kreis in weitem Bogen ihr zu Ehren geflogen.
    Mit Ehrfurcht sprachen die Leute in der Stadt von der Reiterin auf dem Markuslöwen in mehr als dreißig Fuß Höhe.
    Die „Löwenreiterin“ wurde blitzartig zum Sinnbild venezianischer Tugenden. Ihre Schönheit glänzte über Venedig, ihre unverfehlte Wirkung auf jeden der Besucher wurde sprichwörtlich, die Gelehrten rühmten ihre Klugheit, das Volk sang von ihrer Unbestechlichkeit und die Bänkelsänger priesen ihren Heldenmut. Bianca war nicht nur die Tochter der berühmten Patrizierfamilie, die Bevölkerung der Stadt nahm sich ihrer an und wachte über ihr junges Leben; eifersüchtig beäugt von der Domina des Hauses Cappello. Der Stern im Mittelpunkt der wundervollen Ereignisse wurde zum Dorn im Auge der Lucrezia.
     
    Bei ihrer Erzieherin, Tante Gritti, hörte Bianca nach diesen Wundern Näheres aus der Rivalin der Stadt Venedig in der Toskana. Das erfolggekrönte Doppelbild Tizians und Tintorettos war auch in Florenz als gelungener Akt des Bartolommeo Cappello wahrgenommen worden. Heimlich fragten sich dort die jungen Erben der Medici nach dem göttlichen Mädchen. Der Banker und Herzog Cosimo betrachtete die reiche Familie in Venedig als Krämerseelen, die es trotz ihres Reichtums nicht zu mehr als zu einem Händlerdasein gebracht hatten. Ebenso die politischen Ideen der beiden reichen Städte ließen sich nicht miteinander vereinbaren, und Venedig fand keineswegs die Zustimmung des toskanischen Herrschers. Genauso wenig wie das unterdrückerische Machtgehabe des Herzogs aus Florenz das Einverständnis des Republikaners Cappello traf. Könnte Bianca aus dieser Sicht überhaupt daran denken, eines Tages in Florenz Einzug halten zu können? Es mutete ihn mehr als abwegig an, wie ihr Lehrer Valeriano Balzano feststellte. Gerade er hatte sich in ihren Lehrstunden immer wieder als Gegner der Florentiner herausgestellt. Von dieser Seite war sicherlich nicht mit einer Unterstützung zu rechnen. „Und aus der Sicht ihres Elternhauses?“, fragte sich seine Schülerin. „Ihre Stiefmutter Lucrezia würde sie eher mit dem Papst verehelichen als mit den Medici“, dachte sie lächelnd. Niemand in ihrer Umgebung ahnte, welches Ziel Bianca wirklich mit den Bildern verfolgte.
    Erziehung zur Macht
    Was wusste die durch diesen Akt der größten Maler der Zeit zur Berühmtheit gewordene Schöne aus Venedig von den herrschsüchtigen Vorgängen ins Florenz?
    Dort versuchte Francesco, unter dem despotischen Cosimo, den Weg eines brauchbaren Herzogs einzuschlagen. Unter den Eifersüchteleien ihrer Stiefmutter Lucrezia erlitt in Venedig Bianca erschreckende Qualen. Längst fühlte sich das Mädchen um ihre Freiheit betrogen.
    Mit Vehemenz versuchte sie bei Signora Gritti und Messer Balzano das Rüstzeug zu erlangen, um ihr Leben besser zu gestalten. Sie wollte dem fabelhaften Bildnis der großen Frauen der Zeit folgen und übte zu ihren körperlichen Reizen und den Talenten ihres Geistes und Charakters auch erstaunliche Fertigkeiten, ihre Gaben zu nutzen.
    Bianca fühlte sich oft genug wie ein trockener Schwamm, der das Wissen Valerianos aufsaugte und den vollen Lippen der Tante Gritti lauschte, wenn sie die Schule der Schönheit und die Fertigkeiten zur Verführung lehrte.
    Nach den Erfahrungen mit Lucrezia betrachtete Bianca ihre Tante äußerst wohlwollend. Ihre Lehrerin war zu früh Witwe, vielleicht auch war sie zu früh Gattin geworden. Eine schöne, schlanke Frau, gebildet und reizend und von edler Weiblichkeit. Die junge Tochter Cappellos profitierte in deren Palazzo sehr gerne von einem Zirkel, der sich dort regelmäßig traf. Gelehrte Frauen wie Constanza Fedeli und die Dichterinnen Cassandra Varona und Paula Gambara. Signora Grittis Piano Nobile galt nicht nur als Podium für Poesie und wertvolles Wissen. All diese Frauen vertraten ein Recht, das Bianca bis dahin unbekannt geblieben war. Es war das Recht, das den Frauen Venedigs bis dahin nicht gewährt wurde, das aber unter deren Führung sichtbar zutage trat, wonach sie lebten und wonach sie sich richteten. Sie proklamierten, wenn auch noch nicht in öffentlichen Runden, dieses Recht auf eigenständiges, selbst verwirklichtes Leben auch gerade der Frauen. Die Errungenschaften der gebildeten Frauen im Kreis von Tante Gritti verbanden sie klug genug mit unwiderstehlichen

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