Der Schwur der Venezianerin
Fragen.
Die Stimme aus dem Schatten vor seinen Füßen sprach lieblich. Das leise Lachen erinnerte ihn an die schönsten Stunden längst vergangener Tage.
„Ist das der rechte Ort, mein Herr, an die Liebe zu denken, ist das die Stunde, sich dem Wein zu ergeben?“
Pietro Bonaventuri wusste, dass er nicht viel Wein vertragen konnte. Waren doch schon die beiden Becher zu viel gewesen. Nun begann er auch noch, fremde Stimmen zu hören und fremde Bilder zu sehen. ‚Ich werde an diesem Weibe noch verzweifeln‘, murmelte er und griff blindlings wieder nach dem Wein. Statt des Bechers hielt er eine zarte Hand zwischen seinen Fingern.
„Oh Gott, ich werd‘ verrückt“ kehrte er in sich und wagte nicht, den Blick zu heben.
„Bevor Ihr verrückt werdet, mein Freund, macht Euch Gedanken, wie das ausgehen soll, denn auf diesem Wege werde ich Euch nicht begleiten. Wenn Ihr aber bereit seid, einen klaren und auch freien Entschluss zu fassen, bin ich auf Eurer Seite.“
Bianca setzte sich neben ihn, obwohl es nicht schicklich war, für Damen der feinen Gesellschaft allein eine Osteria aufzusuchen. Noch immer zweifelnd schaute er in die wundervollen Augen.
„Ich kann es gar nicht glauben“, vernahm sie seine schwache Stimme.
„Ihr sollt nicht glauben, was Ihr seht, Gewissheit soll Euch überzeugen.“
„Bianca, Ihr hier in diesem Wirtshaus? Was tut Ihr hier?“
„Eher muss ich Euch fragen, ob dies die Stätte ist, die Ihr mir zur Verfügung stellt? Dachte ich doch bis jetzt, ich hätte anderes verdient.“
„Ja, doch, aber ich verstehe nicht.“
„Mir scheint, Ihr versteht in allem nicht genug. Das kann gut sein, oder schlecht“, sie sprach wie zu sich selbst.
„Warum kommt ihr hierher, an diesen finsteren Ort?“
„Was fragt Ihr mich. Warum sorgt Ihr nicht für einen besseren Ort der Begegnung?“
„Warum aber sucht Ihr mich hier auf, woher wusstet ihr …?“
„Ich weiß mehr über Euch und von Euch, als Ihr glaubt. Manchmal denke ich sogar, ich weiß mehr über Euch, als Ihr selbst. Doch genug davon. Die Stunde ist gekommen. Wir müssen handeln“, erneut hielt sie das Konzept fest in der Hand.
Es dauerte nicht lange, dann schlichen sich beide in seine Herberge, die schmale Stiege hoch in sein Gemach.
„Gemütlich und bequem ist es bei Euch“, flüsterte Bianca, „so herrlich eng, man fühlt sich geborgen.“
Pietro zeigte sich verlegen, hatte er ihr doch im Garten gesagt, er sei ein Ast vom reichen Stamm der Salviati. Sie überging die Pause und lächelte vergnügt.
Ungläubig schaute er auf die schöne Frau.
„Wie habe ich die Tage sehnsüchtig gezählt, die Nachtruhe hab ich mir geraubt, mich in Gedanken Euch genähert, die Welt schien sich gegen mich verschworen zu haben, ich war unglücklich und traurig gleichermaßen.“
„Was seid Ihr jetzt“, forschte sie in seinem Blick.“
„Glücklich, einfach glücklich.
„Dann vergesst die unglücklichen Stunden. Und denkt daran, wenn die Welt sich gegen Euch verschworen hat, dann solltet Ihr Euch fragen, was Ihr dazu beigetragen habt? Ansonsten mein Freund bin ich nicht hier erschienen, um mit Euch über Sorgen und Nöte zu plaudern. Gibt es nicht anderes zu berichten, anderes zu tun?“
Er war überrascht, sie so schnell wieder einmal das Zepter ergreifen zu sehen. War er bereit, ihr so schnell zu folgen, konnte er ohne lange Vorbereitungen den Ansprüchen der schönsten Frau der Erde genügen? Jetzt spürte er, es war nicht nur ein Glück, es konnte auch ein Fluch sein, die Schönste aller Schönen in seiner Kammer zu wissen. Hatte sie nicht einen Anspruch, auf den schönsten, wertvollsten, reichsten, kräftigsten …? Sein Mut entschwand und seine Sehnsüchte entwichen vor den Fluchtgedanken.
Bianca überflügelte sein Untergangsgebaren, streichelte ihm leicht über seinen Handrücken und sagte:
„Ich hab mich auch nach dir gesehnt, du warst so lieb, so nett zu mir im Garten bei dem großen Fest. Du konntest so herrlich zwanglos mit mir plaudern, du hast mich verblüfft und mir deine Liebe offen gezeigt. Ich habe große Zuneigung zu dir empfunden. Wir sind so roh auseinander geraten. Es ist schwer, mich freizumachen. Ich stehe unter immerwährender Kontrolle. Es ist meine Stiefmutter, die mich wie in einem Gefängnis hält. Wenn ich ausbrechen will, wenn ich mich einmal freimachen will, werde ich um so härter bestraft. Dann muss ich noch länger eingesperrt in meinem Zimmer sitzen, oft alleine, ohne Gespräche. Ich muss
Weitere Kostenlose Bücher