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Der Schwur der Venezianerin

Der Schwur der Venezianerin

Titel: Der Schwur der Venezianerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Tschauder
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Frau zu begegnen“, ließ ihn unerwartet und völlig zusammenhanglos eine Stimme hinter ihm wissen.
    Cappello scherzte mit einem Geschäftspartner, hatte den Rücken Pietro zugewandt, und doch ließ der junge Mann aus Florenz die Bemerkung für sich ganz alleine gelten. Geschlagen verabschiedete er sich und ließ sich von einem Begleiter mit einer Fackel nach Hause leuchten.
    Die Sterne meinten es nicht gut mit ihm. Verpasste Chancen scheinen sich zu häufen, verfluchte er sein widerwärtiges Schicksal. Ein Unglück kommt selten allein, dämmerte er vor sich hin und trat ärgerlich nach einer streunenden Katze. Soeben hatte er auch noch erfahren, dass ihn das Bankhaus Salviati für ein paar Tage nach Padua verlieh. Dort hatte er Zeit genug, seine Möglichkeiten zu überdenken. Keinen Tag wollte er mehr verlieren, einen Plan sofort umsetzen, der ihn seiner Freundin näher bringen sollte. Das Wesen der jungen Cappello hatte ihn erfasst und drohte ihn mit Haut und haar aufzufressen. Seine Liebe wuchs mit zunehmendem Abstand zu Bianca, verursachte ihm Schmerzen, wie eine ansteckende Krankheit, ließ ihn nicht mehr schlafen und sich nach der Begegnung mit ihr verzehren.
    Zurückgekehrt aus Padua entdeckte Pietro Bonaventuri das duftende Kleid auf dem Balkon des Palazzo Cappello. Mit roten Wangen, glühenden Augen warf er sich auf den Platz unter dem Balkon und suchte die Aufmerksamkeit Biancas zu ergattern. Sie schenkte ihm keinen Blick. Sie warf überhaupt keinen Blick nach unten in das Gewimmel der Menschen, sondern hatte ihre Aufmerksamkeit auf ihre Sticknadeln gerichtet und lieferte bald ihr Produkt an die Stiefmutter ab.
    Welch ein Drachen durchfuhr es den jungen Mann, als er die Falten im Gesicht der Mutter, festgefahren wie eine Schlammlawine, entdeckte. Ein Wunder, dass sein schönes Wesen mit einem so lieblichen Gesicht aus diesem Pfuhl entsteigen konnte, dachte er und wandte sich enttäuscht ab. Er bummelte über den Marktplatz von San Marco, um sich bei frischen Früchten aus Venedig, bei duftenden Gewürzen und leutseligen Mädchen die Laune zu erhalten.
    Zwischen all diesen vielen Menschen ließ ihn das Gefühl nicht los, er würde beobachtet. Welcher Halunke hatte es auf ihn abgesehen, fragte er sich gerade, als er eine Hand in seiner Tasche fühlte. Blitzartig schlug er zu.
    „Au, Ihr tut mir weh, Unredlicher“, rief Cattina. „Sie hätte gerne Euer Papier“, zischte sie ihm heimlich ins Ohr.
    „Welches Papier?“, fragte der Unglückselige, worauf sie kopfschüttelnd entschwand.
    In seiner Tasche fühlte Pietro ein zusammengerolltes Stück Papier. Mit eigener Hand hatte sie ihm ein paar zärtliche Worte geschrieben.
    „Der Tag mit Euch war schön. Es gibt noch viel auszutauschen. Bianca“
    „Die schönsten Worte meines Lebens, die lieblichste Nachricht, die ich jemals empfangen habe“, jauchzte der junge Mann. Er sprang aufgeregt wie ein Gaukler im Kreis herum, wirbelte eine Marktfrau durch die Luft und rief immer wieder „der schönste Tag in meinem Leben“.
    Noch am selben Abend verfasste Pietro in seiner Kammer ein paar Zeilen, auf dass er für eine erneute Begegnung mit ihr gewappnet wäre. Er schrieb in seiner Bank täglich Berichte, verfasste Meldungen über große Geschäfte und die Lage des Handels in verschiedenen geografischen Gebieten. Das alles war das Leichteste, das er routinemäßig zustande bringen konnte. Doch als er sich daran machte für Bianca ein paar Zeilen zu formulieren, ließen seine Ideen nach. Es fiel ihm einfach nichts ein, zumal er davon ausging, dass diese Zeilen die bedeutendsten in seinem Leben sein sollten. Dann hielt er sich an den kurzen Text, den ihm seine junge Freundin geschrieben hatte. Doch auch dieses Papier verwarf er wieder. Er konnte sich dieser Blamage nicht hingeben, dass sie sofort sah, wie er bei ihr abgeschrieben hatte. Es dämmerte bereits der Morgen, als er eine Zeile zustande gebracht hatte, die nicht besser war, als die Erste vom Abend zuvor. Doch ließ er es auf sich beruhen und ließ es auf seinem Tisch in der Kammer liegen.
    „Schöne Venezianerin, wie kann ich Euch wieder sehen?“, stand dort schlicht.
    Mit dem kurzen Schriftstück in der Tasche verließ er am nächsten Tag sein Zimmer und begab sich in die Bank. Weder sah er seine Freundin auf dem Balkon noch die Amme irgendwo in der Stadt. Es gab keine Einladungen von Cappello oder sonst irgendwem. Das Papier in seiner Tasche nahm von Tag zu Tag schlimmere Formen an, faltete sich

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