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Der Schwur der Venezianerin

Der Schwur der Venezianerin

Titel: Der Schwur der Venezianerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Tschauder
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Charakter. Es war eine Staatsangelegenheit, die sie in das Audienzzimmer des Großherzogs führen würde. Der Edelmann, der sich ihrer annahm, ließ sie nur wissen, dass er seine Aufgabe buchstabengetreu zu erfüllen habe.
    Sie fuhr in einer Karosse, deren Fenster verdeckt waren, dann wurde sie übergeben an eine Sänfte ebenfalls mit durch Vorhänge abgedunkelten Fenstern, so wurde die Audienz zu einem konspirativen Treff. Die Neugierde vermischte sich mit Angst, die Hoffnung mit Erschrecken. Über einen Hintereingang gelangten sie in das steinerne Gebäude, das von außen eher einer Festung als einem glanzvollen Palast glich. Nach einer schmalen Wendeltreppe klopfte der Führer an eine unscheinbare Tür. Das Signal schien abgesprochen, die Tür öffnete sich. Der Kronprinz selber nahm die junge Venezianerin in Empfang, schickte den Führer hinaus und hieß ihn auf neue Instruktionen warten.
    Bianca betrat einen schmalen Raum. Er schien sogar unfertig zu sein. Hatte er keine weiteren Türen? So zumindest sah es aus. Nur noch zu einem weiteren Raum führte eine andere Tür. Selbst als sich die Tür, zu der sie hereingekommen war, wieder geschlossen hatte, war von innen nicht die geringste Spur der Öffnung zu sehen. Dagegen erstrahlte der Raum durch unzählige leuchtende Kunstwerke, die in ihren frischen Farben jedes Sonnenlicht ersetzten. Weniger als in einer Folterkammer schien sie in einem edlen Glückskäfig gelandet zu sein. Von mehreren kleineren Rundtischchen warfen zahlreiche Kerzen ihr flackerndes Licht auf die Gemälde. Von der Leuchtkraft und der Fülle der Werke war die junge Venezianerin geblendet.
    In der Mehrzahl der Gemälde mit denen das Studiolo, wie Francesco den Raum beim Eintreten nannte, verziert war, entdeckte Bianca eine Allegorie auf die Schönheit der Frau. Letztlich war es eine Allegorie auf die Frau schlechthin, da sie von Valeriano erfahren hatte, dass sich Francesco von schönen Frauen angezogen fühlte wie die Biene von einer leuchtenden Blüte. Rundherum protzten nackte Frauen mit ihren Körpern. Bianca malte sich den Prinzen aus, wenn er alleine in seinem Studiolo arbeitete und ständig von schönen Brüsten und Lenden umgeben war.
    Doch führte sie die übertriebene Zurschaustellung des florentinischen Machtgehabes schnell zurück in eine vernunftbetonte Betrachtungsweise. Sie hatte nicht die Zurschaustellung des Reichtums im Palazzo Cappello gemocht, viel weniger die protzige Fülle an Kunstwerken, in diesem kleinen, schmalen, fensterlosen Raum. Und doch schien dieser Raum noch lange nicht fertig zu sein, und seine endgültige Form und Ausprägung zu haben. Er wirkte eher wie ein Provisorium.
    „Ein prachtvolles Audienzzimmer habt Ihr hier, Eure durchlauchtigste Hoheit“, begann Bianca, „allerdings kann es nur sehr wenige Bittsteller geben, die sich hier zur gleichen Zeit einfinden können.“
    „Ich sehe mit Freuden“, antwortete der Prinz, „dass Ihr sehr wohl erkannt habt, dass dies nicht das Audienzzimmer sein kann. Dies ist mein ganz persönlicher Raum, in dem ich meine eigenen wertvollen Sachen aufzubewahren pflege. Man nennt ihn das Studiolo. Auch ist er noch nicht, wie Ihr unschwer erkennen könnt, in seiner endgültigen Form und Verfassung. Meinem Freund und Hofarchitekten Buontalenti habe ich den Auftrag gegeben, dieses Studiolo neu zu erschaffen, ihm einen endgültigen Sinn zu geben.“
    „So hat denn diese Zusammenkunft keinen offiziellen, eher einen privaten Charakter?“, ließ sich die junge Frau listig vernehmen. Trotz der Vielfalt an Kunst und der Menge an zur Schau gestelltem Reichtum hatte sie sich schnell ihrer Ziele, ihrer Wünsche besonnen, wollte sich das von ihr vorgegebene Konzept nicht aus den Händen reißen lassen. Die Rauchfahnen aus Schwefel über San Marco setzten sich hier durch zart leuchtende Kerzen fort. Der Prinz begehrte sie, das hatte er in der Audienz bei dem Großherzog Cosimo allzu deutlich gezeigt, über San Marco zu erkennen gegeben, und das konnte er jetzt nicht mehr zurückhalten.
    Das Schicksal war ihren Zielen schnell zu Hilfe geeilt. Sie würde das Handeln nicht mehr nur ihm überlassen.
    Doch auch die Figur des Thronfolgers nahm sie für sich ein. Ein schlanker großer Mann, dessen ovales Gesicht von einer tiefen Traurigkeit beherrscht wurde, stand ihr im Studiolo gegenüber. Dieses Gesicht mit einem recht kleinen poetischen Mund beherrschte eine hohe Stirn, von der eine schmale Nase bis zu der weichen Oberlippe führte. Vor

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