Der Schwur der Venezianerin
Moment lang war sie seinem schwarzen Bart und seinen sehnsüchtigen Augen sehr nahe.
Francesco wandte sich ihr zu und sie spürte seinen Atem auf ihren Wangen. Er hatte seinen Mund leicht geöffnet und Bianca war ihren Wünschen jetzt schon sehr nahe.
„Wer ist diese Frau?“, fragte sie und erhob sich plötzlich.
Francesco zuckte zusammen. Die Sprachlosigkeit überwältigte ihn nur einen Moment. Dann erhob auch er sich und erwähnte wie nebenbei: „Sie kommt nicht einen Hauch Eurer Schönheit gleich.“
Bianca wandte sich der beinahe nicht sichtbaren Tür zu.
„Es wird mir eine Ehre sein, Euch hier wieder zu sehen“, entgegnete der Prinz, bevor er die junge Schönheit aus Venedig verabschiedete und durch seine Kutsche nach Hause gelangen ließ. Der Vogel ist frei und fliegt, wohin er will, überlegte Francesco, ich muss ihn an seine Futterstelle gewöhnen.
Und Bianca machte sich Sorgen, ob sie die Begegnung nicht zu abrupt beendet hätte? War sie nicht ein zu hohes Risiko eingegangen?
Folge der Staatsräson
„Bekäme sie öfter oder zumindest noch eine weitere Einladung aus dem Herrscherhaus?“, versuchte Bianca ängstlich auf dem Rückweg in ihr Heim zu ergründen. Sie war sich vorgekommen wie auf einer Gratwanderung, und sie hatte den Prinzen auf Abstand gehalten. Hatte sie es dennoch geschafft, dass sein Feuer für sie nicht erlöschen würde? Oder hatte sie zu viel Selbstherrlichkeit gezeigt?
„Bist du bei diesem Frauenverführer gewesen?“, erzürnte sich ihr Gatte. „Das hörst du sofort auf, Bianca. Ich will das nicht, man fängt schon an, darüber zu reden.“
„Was willst du?“, fragte sie kühl. „Du bist oft auf Reisen, ich sorge für einen guten Kontakt mit dem Herrscherhaus. Du selbst bist ja noch nicht einmal in der Lage, uns in gute Gesellschaftskreise einzuführen. Glaubst du etwa, ich möchte immer hinter diesen offenen Fenstern hausen und hier auch noch verrecken? Sei froh, wenn wir Beziehungen zu den besten Kreisen knüpfen.“
Das war alles, was sie auf seine Fragen, Beschuldigungen und Klagen zu antworten hatte. Augenscheinlich war ihr selbst das zu viel gewesen. Sie fühlte sich nicht verpflichtet, irgendjemand Auskunft über ihr Tun und Lassen zu geben. Was sie einmal angefangen hatte, zog sie zügig bis zur Fertigstellung durch.
„Herrgott“, überkam es Pietro, „ich habe die schönste Frau von Venedig geehelicht, doch ist sie mir schon jetzt entglitten“, und er befand sich nicht in der Lage, das zu ändern. Er hatte einfach keine Lust mehr, all die vielen Auseinandersetzungen, die er aus den Zeiten der Flucht kannte, zu wiederholen. Sein Leben steuerte in einen traurigen Abgrund, er kam noch seltener nach Hause, vernachlässigte seine Frau. Dies wiederum war genug Anlass für Bianca, noch eher einer Aufforderung aus dem Palazzo Vecchio zu folgen.
Francesco ging rigoros vor. Wie es hieß, ging er schon seit Langem mit der einen oder anderen verheirateten Frau ähnlich um. Ein Mann wie Pietro Bonaventuri scherte ihn nicht. Wenn er ihm im Wege stand, so überging er ihn einfach.
Und jetzt bei der nächsten Einladung erinnerte sich Bianca an die Ängste, die sie nach dem ersten Rendezvous gequält hatten. „War sie damals nicht zu strikt vorgegangen? Es ging ihr nicht darum, einen Liebhaber einzufangen. Ihr Ziel war die Erfüllung ihres Schwures, den sie noch in Venedig gefasst hatte. Und die Ermahnungen aus dem Kreis der gelehrten Damen bei Tante Gritti? Nun, die müssten ohnehin angepasst werden. Es gab sicherlich keine strikt durchführbaren Regeln“, dachte sie.
Sie hatte nur den einen Teil des Erfolges gelernt. Wie setze ich meinen Körper ein, um meine Ziele zu erreichen. Sie hatte nicht gelernt, ihr Glück, die Liebe in den Vordergrund zu stellen. Hatte sich ihr Hass gegenüber Lucrezia auf die ganze Menschheit übertragen?
Die Besuchseinladungen ins Studiolo häuften sich und erweckten gleichermaßen das aufmerksame Interesse von Herzog Cosimo.
Es war alles viel schneller und einfacher geschehen, als sie je gedacht hatte. Bianca brauchte sich nicht um Einladungen in das Studiolo zu sorgen, es ging wie von alleine. Bald zeigte sich auch, wie der Prinz sie brauchte. So wie eine Pflanze ohne Wasser verdorrte, so war Francesco ohne Bianca ein Nichts, das sich noch nicht einmal von alleine aufrichten konnte.
Im Jahr 1564 stand die Tochter des Hauses Cappello in ihrem achtzehnten Lebensjahr. Ihr jugendlicher Körper hatte sich zur prachtvollen Blüte
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