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Der Schwur der Venezianerin

Der Schwur der Venezianerin

Titel: Der Schwur der Venezianerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunter Tschauder
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Stück Gold, reines unnachahmliches Gold. Das aber gerade war es, was er zu erreichen trachtete, die Transmutation des Unedlen in das ewig gültige Edle. In seiner weichen Hand drehte er mit den langen Fingern das kostbare Metall, erfühlte das aus seiner Gefangenschaft befreite Höchst wertige, Göttliche.
    Sein Bewusstsein war nicht gerichtet auf das niederträchtige Handeln eines unterdrückerischen Despoten in einem korrupten Staat, nicht auf das langweilige Steuern von Sekretären und Volksvertretern, das billige Herumhandeln mit Staatsmännern und Kirchenfürsten. Das einzig Wahre war für ihn die Alchemie, die Schöpfungsgeschichte, der er ein neues Kapitel hinzufügen würde, das entscheidende Kapitel. Das bisschen Toskana, das zu verwalten und zu lenken war, entflammte nicht seine Sinne, das Schöne, das Schöpferische, das Wundervolle, das über allem Täglichen stehende gab ihm die Kraft des Kampfes in einem scheinbar verlorenen Feld. Er musste die Reinigung vollziehen, die Läuterung und Befreiung des Lichtes aus der Knechtschaft und Gefangenschaft.
    Nur eines kam im Leben diesem Ziel der Eroberung des Unendlichen nahe. Das war die Eroberung eines himmlisch schönen Wesens. Einer Frau, die sich über die belanglose Alltäglichkeit erhob, die ihn der Langeweile des Herzogdaseins entband und sein Leben in göttliche Sphären führen könnte.
    Francesco lächelte in eine grün glitzernde Retorte. Mit welcher Dummheit und Unkenntnis seine Zeitgenossen den meisten Frauen begegneten. Unfähig, das strahlende Licht, das unerschöpflich Sensitive in einer schönen Frau zu erahnen, dumpften sie verständnislos in jeden Alltag hinein. Der spannungsreichen Suche in den funkelnden, schwankenden Flüssigkeiten seiner Retorten kam nur das Empfinden an der Seite einer göttlichen Frau gleich. Göttlich musste dieses Weib dann schon sein, und darunter verstand er die allgegenwärtige Schönheit einer strahlenden Lichtgestalt. Nicht ein hässliches Wesen, das ihm sein Vater aus dem bäuerischen Österreich, die Schwester des Kaisers, andienen wollte. Was interessierte ihn dieses hässliche Weib, das nur den machtpolitischen Gelüsten seines Vaters zufolge in seinem Bett erscheinen würde. Langeweile in einem Bett mit einer Frau verstand er als eine der grässlichsten Quälereien, die sich die Welt ausgedacht hatte. Dagegen galt für ihn die Schönheit und Strahlkraft einer wundervollen weiblichen Gestalt als die Urform göttlicher Erfüllung. Mit einem Lächeln auf seinem meist trostlosen Gesicht gedachte der Medici seiner schon lang andauernden Suche nach der endgültig Schönsten, die seine Sehnsüchte erfüllen könnte. Sein vieles Suchen in seinem Palazzo hatte das Ärgernis des Herzogs hervorgerufen. Man nannte ihn liederlich und sein geschlechtliches Treiben wurde von der Bevölkerung des Staates als sonderlich verabscheut. Genauso verabscheute er die für ihn dummen und unwissenden Händler und Handwerker.
    Zumindest in dieses weite Gebiet der Übertragung weiblicher Schönheit in die Erfüllung seiner männlichen Sehnsüchte schien er durch den Blick aus dem Fenster zu eilen. Mit einem Schlag hatte ihm der Anblick dieses Wesens die Erkenntnis vermittelt, dem ewig drängenden Kraftquell in seinem Leibe die Befriedigung zu geben.
     
    Während sich der alchemistische Geist des Thronfolgers aus Florenz mit dem Wirrwarr seiner unerfüllten Sehnsüchte und Gedanken auseinandersetzte, las die junge Venezianerin im Haus gegenüber die Anordnung des fürstlichen Sohnes. Die anfänglichen höfischen und übertriebenen Floskeln einer Ehrerbietung hatte sie schnell überlesen und erreichte den bedeutendsten Teil der plötzlich auf sie hereingebrochenen Nachricht. Mit glühenden Wangen und ein wenig zitternden Händen erfuhr sie die Absicht des jungen Medici:
     
    „… setzt sich die Güte seiner durchlauchtigsten Großherzigkeit des Großherzogs des Staates Toskana für die Schutzsuchenden und flüchtenden Menschen ein.
    Der Großherzog hat Euer Wohlbefinden in meine Hand gelegt. Ihr unterliegt meinem persönlichen Schutz.
    So gewähre ich Euch an dem Tage nach diesem eine Audienz in dem Palazzo Granducale. Mein Bote wird Euch von Eurem Hause dorthin geleiten. Haltet Euch für seine Ankunft bereit.
    Redet mit niemandem über diese Gnade, die Feinde aus Venedig und die Missgönner lauern überall. Schützt Euer Leben mit Schweigen über Eure Absichten …“
     
    Die Wangen der jungen Frau überflammte ein glühendes Feuer.

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