Der Schwur des Highlanders
Jahre später
»Mein Vater wird Euch verfolgen. Ja, und meine Onkel, meine Cousins und all unsere Clan-Angehörigen. Sie werden Euch hetzen wie ein Rudel hungriger, rasender Wölfe und Euch in kleine, blutige Stücke zerfetzen. Und ich werde auf Euren zerfetzten Körper spucken, bevor ich gehe und Euch den Aaskrähen überlasse.«
Sir Cormac Armstrong blieb so unvermittelt vor der schweren Tür zu Sir Colin MacRaes privaten Gemächern stehen, dass sich seine Muskeln kurz verspannten. Es war nicht die kalte Androhung einer scheußlichen Vergeltung, die ihm Einhalt gebot, sondern die Stimme, die sie androhte. Diese weiche, kräftige Stimme, die für eine Frau fast zu tief war, zerrte an einer alten Erinnerung – einer fast zehn Jahre alten Erinnerung, von der er dachte, dass er sie vollständig aus dem Gedächtnis verloren hätte.
Dann überfielen ihn Zweifel. Es gab keinen Grund dafür, warum sich dieses kleine Murray-Mädchen auf Sir Colins Burg aufhalten sollte. Zudem hatte er mit den Murrays nichts mehr zu tun gehabt, seit sie ihm so großzügig geholfen hatten. Er hatte ihnen nur noch die Nachricht zukommen lassen, dass er seinen Namen reingewaschen habe, und eine schöne Stute als Geschenk geschickt, sonst nichts. Dass das kleine Mädchen, welches ihm das Leben gerettet hatte, nicht mehr auf Donncoill gehegt und behütet würde, konnte er nicht glauben. Seine Erinnerung mochte ihn täuschen. Und wie könnte sie Sir Colin in die Hände geraten sein? Und warum?
»Nun, wir wissen, dass wenigstens einer Eurer elenden Cousins uns nicht wieder belästigen wird«, erwiderte Sir Colin gedehnt. »Jener hübsche, unverschämte Junge, der mit Euch geritten ist, gibt ganz gewiss schon Rabenfutter ab, während wir sprechen.«
»Nein, Payton ist nicht tot.«
In diesen wenigen Worten schwang solch großer Schmerz, gemischt mit inbrünstiger Hoffnung, mit, dass Cormac es beinahe körperlich spürte, und er fluchte. Es war schwer, sich nach all den Jahren an viel zu erinnern, aber der Name Payton schien ihm bekannt vorzukommen. Der Name und diese Stimme – eine Stimme, die die äußerst deutliche Erinnerung an eine kleine, sauber geschrubbte Hand zurückbrachte, die ihm zum Kuss entgegengestreckt wurde – setzten Cormac schließlich in Bewegung. Er wusste nicht, was er tun sollte, aber er musste erfahren, was da vorging. Dies war ganz gewiss kein Freundschaftsbesuch, und das konnte bedeuten, dass das kleine Mädchen in Gefahr schwebte.
In der Woche, seit er seine junge Cousine Mary zu ihrer Hochzeit mit Sir Colins Neffen John auf Duncaillie gebracht hatte, hatte Cormac jede erdenkliche Anstrengung unternommen, alle noch so verborgenen Ecken der Burg kennenzulernen. Er mochte Sir Colin nicht, vertraute diesem Mann ganz und gar nicht. Als die Verlobung seiner Cousine verkündet wurde, war er fast der Einzige, der sich dagegen aussprach. Er wollte nicht, dass seine Familie mit einem Mann in Verbindung kam, von dem er wenig Gutes gehört hatte.
Er versicherte sich, dass ihn niemand beobachtete, und schlüpfte in den Raum, der neben Sir Colins Gemach lag. An der Verbindungstür zwischen den beiden Gemächern stand keine Wache. Entweder war Sir Colin zu überheblich, um zu glauben, dass ihn jemand ausspionieren würde, oder es interessierte diesen Mann ganz einfach nicht. Cormac drückte sich an die Wand neben der Tür und öffnete sie vorsichtig. Schnell schaute er sich in dem Raum um, in dem er sich befand, und merkte sich sorgfältig verschiedene Stellen, an denen er sich verbergen konnte, falls jemand bemerkte, dass die Tür aufgesprungen war. Wenn er in den zwei Jahren seiner Flucht vor der Wut des Douglas-Clans etwas gelernt hatte, und zwar gut gelernt hatte, dann das, wie man die Dunkelheit und jede noch so dürftige Deckung ausnützte, um sich den Blicken zu entziehen. Mit einem tiefen, beruhigenden Atemzug spähte er in das Gemach.
»Dieser unerfahrene Junge ist nun unwichtig«, fuhr Sir Colin sie an.
»Unerfahren?« Die Verachtung in jener rauen Stimme ließ Cormac zusammenfahren. »Selbst der bartloseste unter meinen Brüdern und Cousins hatte mehr Frauen, als Ihr je haben werdet.«
Als Sir Colin aus seinem schweren Eichenstuhl aufsprang und auf seine Peinigerin zuging, musste Cormac seine Fäuste fest zusammenballen, um sich von einer unbesonnenen Handlung zurückzuhalten. Zu seiner Erleichterung blieb der Mann direkt vor der Frau stehen und hob die Hand, ohne aber den Schlag auszuführen, den er ihr
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